Keine zu großzügig angewendete Neutralisierung
Wenn man die Sharelook/Sherlock-Entscheidung des 27. Senats des Bundespatentgerichts Sharelook/Sherlock-Entscheidung (BPatG, Beschl. v. 29.06.2010, Az. 27 W (pat) 1/10 – Sharelook/Sherlock) liest, konnte man zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Senat mit großer Vehements die sog. „Neutralisierungslehre“ des Gerichtshofs (vgl. hierzu Felchner, „Armer PICASSO – Die „Neutralisierungslehre“ des EuG“, MarkenR 09/2005, S. 377 ff.) vertritt (siehe hierzu meinen Beitrag „Zwei zu eins“. Wie der DOC’S/DUX-Entscheidung jedoch zu entnehmen ist, stellt der Senat nunmehr fest, dass dem mitnichten so ist. So heißt es in den Entscheidungsgründen auszugsweise wie folgt:
Die mit einer zu großzügig angewendeten Neutralisierung verbundene Reduktion der Verwechslungsgefahr infolge klanglicher Zeichenähnlichkeit würde zu einer massiven Einschränkung des Markenschutzes führen, wie sie jedenfalls auf nationaler Ebene weder aus praktischen Gründen geboten noch rechtspolitisch wünschenswert ist (…). Dass allein die klangliche Ähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr hervorrufen kann, bestätigt der Europäische Gerichtshof in der Zirh/Sir-Entscheidung (…). Soweit er in dieser Entscheidung zu einer Neutralisierung der klanglichen Ähnlichkeit durch sonstige Unterschiede kommt, ist fraglich, ob er insoweit von einer – zumindest auf den dort in Rede stehenden Waren- und Dienstleistungssektoren der Klassen 3, 5 und 42 – generellen Neutralisierung der optischen oder akustischen Ähnlichkeit durch den Sinngehalt einer der zur vergleichenden Marken ausgeht, was früheren Entscheidungen (…) widersprechen würde. Ein Ausschluss der Verwechslungsgefahr infolge des erkennbaren Sinngehalts einer Marke kommt daher allenfalls in Betracht, wenn die einander gegenüberstehenden Marken keine allzu große klangliche Ähnlichkeit aufweisen, aber zumindest eine davon einen deutlichen Sinngehalt (…) Angesichts der hier vorliegenden hochgradigen klanglichen Ähnlichkeit vermögen die Sinngehalte der Vergleichsmarken (Ärzte bzw. Enten bzw. lat. Führer) die Verwechslungsgefahr nicht zu neutralisieren. Der unterschiedliche Sinngehalt kann nämlich nicht zum Tragen kommen, weil die angegriffene Marke akustisch wie die Widerspruchsmarke wahrgenommen wird. Damit vermag das Publikum beide Zeichen nicht anhand eines unterschiedlichen Sinngehalts voneinander abzugrenzen, weil es die Marken infolge Verhörens mit demselben Sinngehalt wahrnimmt. Hier kommt hinzu, dass der Wortbestandteil des angegriffenen Zeichens DUX in der deutschen Sprache keine Bedeutung hat. Auch sind weder das lateinische „dux“ (Führer) noch die Namen einer Stadt in Böhmen und diverser Künstler in Deutschland allgemein bekannt. Ohne die Graphik des Entenkopfes tritt auch die englische Bedeutung nicht sehr deutlich hervor. Gleiches gilt für DOC’S ohne den klanglich ja nicht in Erscheinung tretenden Apostroph. Auf die durch den Inhaber des angegriffenen Zeichens beabsichtigte Vertriebsart kann es schon deshalb nicht ankommen, weil diese durch die Markenanmeldung nicht festgelegt ist und sich jederzeit ändern kann. Die klangliche Zeichenähnlichkeit wäre vorliegend aber selbst dann nicht zu vernachlässigen, wenn die streitgegenständlichen Waren tatsächlich überwiegend auf Sicht gekauft würden (…). Dem Kauf auf Sicht gehen nämlich oft mündliche Nachfragen, Empfehlungen, Werbespots und Bestellungen voraus, wobei es jeweils zu klanglichen Verwechslungen kommen kann (…). Zudem wird bei einer nur optischen Wahrnehmung einer Marke auch deren klanglicher Charakter unausgesprochen aufgenommen, was die Erinnerung an klanglich ähnliche Marken wecken kann. Die klangliche Verwechslungsgefahr beruht insoweit nicht auf unmittelbarem Hören, sondern auf ungenauer Erinnerung (…).