Sharelook vs. Sherlock
Nach Auffassung des Bundespatentgerichtes (BPatG) sind die sich gegenüberstehenden Wortmarken
Sharelook
und
Sherlock
trotz (unterstellter) Dienstleistungsähnlichkeit oder gar -identität nicht verwechselbar ähnlich (BPatG, Beschl. v. 29.06.2010, Az. 27 W (pat) 1/10 – Sharelook/Sherlock)
In den Entscheidungsgründen heißt es wie folgt:
„Soweit die Widersprechende darüber hinaus auch eine die Verwechslungsgefahr begründende visuelle Ähnlichkeit beider Marken geltend macht, kann dem nicht gefolgt werden. Tatsächlich unterscheiden sich beide Marken in visueller Hinsicht durch die abweichende Vokalfolge und -anzahl. Darüber hinaus wird der optische Eindruck der Widerspruchsmarke maßgeblich durch die Häufigkeit ihrer Vokale geprägt, während das Schriftbild der angegriffenen Marke von den Konsonanten bestimmt wird. Für die Annahme der Widersprechenden, bei bestehender Klangnähe sei auch eine optische Ähnlichkeit zu bejahen, fehlt es demgegenüber an jeglicher Grundlage. Zwar kann das in der Erinnerung behaltene Klangbild die schriftbildliche Wahrnehmung beeinflussen, zwingend ist dies aber entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht, weil ein aufmerksamer und aufgeschlossener Leser der beiden Marken in gleicher Weise auch anhand der wahrgenommenen optischen Abweichungen die (oben genannten, tatsächlich vorhandenen) Klangunterschiede erkennen kann.
Ungeachtet einer möglichen visuellen Ähnlichkeit wird eine Verwechslungsgefahr aber vorliegend erkennbar durch den semantisch deutlichen Unterschied zwischen beiden Marken neutralisiert (…). Selbst wenn die Widerspruchsmarke als Fantasiebegriff aufgefasst würde, ist der Vorname des weltweit bekanntesten Helden von Kriminalromanen bei nahezu allen Bevölkerungskreisen bekannt und geläufig (…). Soweit die Widersprechende dies bestritten hat, hat sie hierfür keine tatsächlichen Grundlagen dargetan, welche geeignet wären, die Offenkundigkeit (…) der Bekanntheit dieses Namens in Frage zu stellen. Soweit die Widersprechende eine Anwendung der Neutralisierungstheorie des Europäischen Gerichtshofs mit Blick auf die Entscheidung des 24. Senats des Bundespatentgerichts (…) bezweifelt hat, vermag der Senat dem ebenfalls nicht zu folgen. Da § 9 MarkenG auf Art. 4 der Markenrechtsrichtlinie beruht, ist allein der Europäische Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Auslegung des Begriffs der Verwechslungsgefahr der gesetzliche Richter (…), so dass an dessen Rechtsprechung alle deutschen Gerichte einschließlich der höchstrichterlichen Instanzen gebunden sind. Diese Bindungswirkung kann nicht, wie vom 24. Senat ausgeführt, mit der Berufung auf eine nationale Rechtsprechungstradition beseitigt werden; eine solche Sicht ist vielmehr europarechts- und verfassungswidrig. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der sog. Neutralisierungstheorie um einen auf nationale Sachverhalte nicht anwendbaren Sonderfall handeln sollte (…), können der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht entnommen werden; sie könnten im Übrigen ohnehin nur Grundlage einer erneuten Vorabentscheidungsvorlage an den Europäischen Gerichtshof sein, nicht aber für eine europa- und verfassungsrechtlich untersagte Nichtberücksichtigung seiner Rechtsprechung.
Damit liegt insgesamt eine allenfalls sehr entfernte Markenähnlichkeit vor, die selbst bei unterstellter normaler, erst recht bei der gegebenen unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auch im unterstellten hochgradig ähnlicher Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr begründen könnte.“