Echte Handarbeit

In der REISEMANUFAKTUR-Entscheidung beschäftigt sich das Bundespatentgericht im Rahmen der Unterscheidungskraft mit dem Begriff „Manufaktur“ in Bezug auf „(Reise-)Dienstleistungen“ und kommt zu dem Ergebnis, das diesem Begriff die erforderliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist.

In den Entscheidungsgründen heißt es hierzu wie folgt:

„1. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „REISEMANUFAKTUR“ als Marke für die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 39, 41 und 43 steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (…). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu ge[1währleisten (…I). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (…). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (…). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmelde[1zeitpunkt (…) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (…). Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (…) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (…). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (…). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (…); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (…).

b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das angemeldete Wortzeichen „REISEMANUFAKTUR“ nicht. Denn schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 4. Januar 2023, haben es die angesprochenen breiten inländischen Verkehrskreise ohne besonderen gedanklichen Aufwand nur als Bezeichnung irgendeiner Angebots- und Erbringungsstätte exklusiver, auf Kundenwünsche individuell zugeschnittener, qualitativ hochwertiger Reise-, Transport-, Veranstaltungs-, Unterhaltungs- und Hotelreservierungsdienstleistungen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen aufgefasst.

aa) Von den vorgenannten angemeldeten Diensten werden breite Verkehrskreise angesprochen, nämlich sowohl der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (…), als auch Unternehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene.

bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den deutschen Wörtern „REISE“ und „MANUFAKTUR“ zusammen.

aaa) Das Substantiv „Reise“ bezeichnet die „[der Erreichung eines bestimmten Ziels dienende] Fortbewegung über eine größere Entfernung“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/Reise).

bbb) Im ursprünglichen Sinne ist eine „Manufaktur“ (von lateinisch manus „Hand“, und facere „erbauen, tun, machen, herstellen“) eine Produktionsstätte von Handwerkern verschiedener Professionen bzw. hochspezialisierter Teilarbeiter eines Handwerks, deren unterschiedliche Arbeitsvorgänge die Fertigung eines gemeinsamen Endprodukts zum Ziel haben. Sie unterscheidet sich von einer Fabrik durch eine geringfügigere maschinelle Ausrüstung und die überwiegende Arbeit mit der Hand (https://de.wikipedia.org/wiki/Manufaktur).

(1) Das Nomen „Manufaktur“ steht aber nicht mehr nur für einen [vorindustriellen] gewerblichen Großbetrieb, in dem Waren serienweise mit starker Spezialisierung und Arbeitsteilung, aber doch im Wesentlichen in Handarbeit hergestellt werden, sondern hat mittlerweile die lexikalisch nachweisbare Bedeutung „gewerblicher Kleinbetrieb, in dem [stark spezialisierte] Produkte [im Wesentlichen oder teilweise] in Handarbeit hergestellt werden, was zu einer hohen Qualität führt“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/Manufaktur). Durch die Verwendung dieses Begriffs soll dabei in werbeüblicher Weise die Abgrenzung zu einer für das Publikum unattraktiven Massenproduktion zum Ausdruck gebracht und ein besonderer Qualitätsanspruch für die jeweiligen Produkte oder Dienstleistungen in Anspruch genommen werden (…). Der moderne Begriff „Manufaktur“ im Sinne von „Handfertigung“ wird daher mit Luxusgegenständen und Exklusivität verbunden und gerne für hochpreisige Waren oder Dienstleistungen eingesetzt (…).

(2) Dieser Trend zur Betonung von Exklusivität, Individualität und Qualität durch die
Bezeichnung „Manufaktur“ ist den angesprochenen Verkehrskreisen im Warenbereich schon lange vor dem maßgeblichen Anmeldezeitpunkt geläufig gewesen, wie
eine Internetrecherche gezeigt hat: …

(3) In diesem Sinne ist der Begriff „Manufaktur“ aber auch im Dienstleistungsbereich
schon lange vor dem maßgeblichen Anmeldetag verwendet worden: …

(4) Selbst beim vergleichbaren Begriff „Werkstatt“ ist der Verkehr seit langem daran
gewöhnt, dass dieser – insbesondere in Kombination mit weiteren vorangestellten
Bestandteilen – nicht mehr nur mit traditionellen handwerklichen Leistungen und
den von Handwerkern produzierten Waren verbunden ist, sondern vielmehr gerade
auch in Verbindung mit Dienstleistungen verwendet wird (…).

cc) In der Gesamtheit bedeutet die Wortverbindung „REISEMANUFAKTUR“
„irgendein gewerblicher Kleinbetrieb, in dem qualitativ hochwertige, auf Kundenwünsche individuell zugeschnittene Reisen angeboten werden“.

d) Aus Sicht des angesprochenen inländischen Publikums hat sich die Wortkombination „REISEMANUFAKTUR“ daher zum maßgeblichen Anmeldezeitpunkt in
einer sprach- und werbeüblichen Aneinanderreihung zweier Begriffe zu einem
schlagwortartigen, unmittelbar beschreibenden Hinweis auf den Erbringungsort und
den Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen erschöpft, sie ist aber nicht
im markenrechtlichen Sinne als kennzeichnend aufgefasst worden.“

BPatG, Beschl. v. 30.11.2023, Az. 26 W (pat) 520/23 – REISEMANUFAKTUR
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