LYST vs. Greenlyst

In der LYST vs. Greenlyst-Entscheidung des BPatG ist aus meiner Sicht folgendes merkenswert:

1.

Das Wort „green“ werde sowohl vom Durchschnittsverbraucher als auch von Fachkreisen vor allem im Sinne von „ökologisch, umweltbewusst, umweltfreundlich, umweltverträglich, nachhaltig“ verstanden.

Im Beschluss heißt es hierzu wie folgt:

„Das Wort „green“ wird sowohl vom Durchschnittsverbraucher als auch von Fachkreisen vor allem im Sinne von „ökologisch, umweltbewusst, umweltfreundlich, umweltverträglich, nachhaltig“ verstanden (…). Es handelt sich um einen branchenübergreifend verwendeten Hinweis darauf, dass Produkte/Dienstleistungen umweltfreundlich/ökologisch hergestellt bzw. erbracht werden oder sich bei ihrem Einsatz und Gebrauch als umweltfreundlich/ökologisch erweisen (…). In Bezug auf die von der jüngeren Marke beanspruchten Dienstleistungen weist „green“ darauf hin, dass sie Handelsgeschäfte mit bzw. Werbung und Marketing für nachhaltige Waren betreffen.“

BPatG, Beschl. v. 18.03.2023, Az. 29 W (pat) 59/20 – LYST vs. Greenlyst

2.

Im Rahmen des Vergleichs der sich gegenüberstehenden Marken in ihrer maßgeblichen Gesamtheit könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile zum Gesamteindruck beitragen.

Im Beschluss heißt es hierzu wie folgt:

„Andererseits ist es jedoch nicht ausgeschlossen, dass auch beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile zum Gesamteindruck beitragen (…). Dies ist vorliegend der Fall. Bereits die konkrete Ausgestaltung der Buchstabenfolge „Greenlyst“ als zusammenhängendes Wort, das mit einem Großbuchstaben beginnt, während die weiteren Buchstaben kleingeschrieben sind, führt dazu, dass man es als ein zusammenhängendes Wort liest und auch so benennt, auch wenn sich kein Sinngehalt aufdrängt. Dies steht einer Prägung der jüngeren Marke lediglich durch den Bestandteil „lyst“ entgegen. Der Bestandteil „Green“, tritt im Gesamtzeichen nicht derart in den Hintergrund, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise allein an dem weiteren Bestandteil „lyst“ orientierten.“

BPatG, Beschl. v. 18.03.2023, Az. 29 W (pat) 59/20 – LYST vs. Greenlyst

Aus diesem Grund verneinte der Senat die unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen Greenlyst und „LYST“, bejahte dann aber, wie nachfolgend unter 3. gezeigt werden wird, „eine Verwechslungsgefahr aufgrund gedanklichen Inverbindungbringens“.

3.

Zwar würden die angesprochenen Verkehrskreise die Unterschiede zwischen den Vergleichszeichen Greenlyst und „LYST“ erkennen, würden diese jedoch aufgrund besonderer Umstände derselben betrieblichen Herkunft zuordnen (…).

Im Beschluß heißt es heizu wie folgt:

„cc) Die angesprochenen Verkehrskreise erkennen somit zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichszeichen und „LYST“, werden diese jedoch aufgrund besonderer Umstände derselben betrieblichen Herkunft zuordnen (…). Allerdings kann das bloße Vorhandensein eines übereinstimmenden Wortteils allein noch nicht die Annahme einer Verwechslungsgefahr aufgrund gedanklichen Inverbindungbringens begründen, zumal hierfür nicht jegliche, wie auch immer geartete gedankliche Assoziationen ausreichen (…). Maßgeblich ist vielmehr, ob die als unterschiedlich erkannten Vergleichsmarken wegen Übereinstimmungen in Teilbereichen oder aus anderen Gründen auf die Ursprungsidentität der betroffenen Waren oder Dienstleistungen (…) oder auf sonstige wirtschaftliche und organisatorische Verbindungen deren Hersteller bzw. Anbieter (…) schließen lassen. Diese Voraussetzung kann insbesondere dann erfüllt sein, wenn die jüngere Marke den Eindruck einer Spezifizierung der älteren Marke hervorruft (…).

Ein solcher Fall liegt hier vor.

Besondere Umstände sind vorliegend darin zu sehen, dass es sich bei dem Wortbestandteil „Green“ um einen branchenübergreifend verwendeten Hinweis darauf handelt, dass Produkte/Dienstleistungen umweltfreundlich/ökologisch hergestellt bzw. erbracht werden oder sich bei ihrem Einsatz und Gebrauch als umweltfreundlich/ökologisch erweisen. Im Bereich Affiliate-Marketing und Bereitstellen von Online-Marktplätzen steht die Bezeichnung „Green“ oder „grün“ für einen Markenkanal, der von Händlern umweltfreundlicher und ökologischer Produkte genutzt wird. Bereits vor dem Anmeldetag der angegriffenen Marke war der Nachhaltigkeitstrend – auch in der Modebranche – sehr bedeutend. Der Begriff „Green“ ist in diesem Zusammenhang seit langem weitverbreitet, und seine Bedeutung den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres bekannt. Sie werden daher, wenn ihnen das zusammengesetzte Wort „Greenlyst“ – vor allem in klanglicher Hinsicht („grien-lüst“) – im Zusammenhang mit den Vergleichsdienstleistungen begegnet, davon ausgehen, dass die Widersprechende sich neben ihren bisherigen unter „LYST“ angebotenen Dienstleistungen mit einem öko-sozialen Marketing im Bereich der Vermittlung nachhaltiger Produkte beschäftigt, und die Marke, weil die Angabe „lyst“ hier in selbständig kennzeichnender Wirkung hervortritt, der Widersprechenden zuordnen. Der Auffassung der Markenstelle und der Beschwerdegegnerin, dass es sich bei der jüngeren Marke um eine gesamtbegriffliche Einheit handele, weil die Bestandteile „Green“ und „lyst“ in ihrem Sinngehalt („Lust auf Grünes/Umweltfreundliches“) aufeinander bezogen seien, kann nicht gefolgt werden. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass in der konkreten Kombination mit einem aus dem Englischen kommenden Begriff der Markenteil „lyst“ als dänisches Wort für „Lust“ überhaupt erkannt wird. Die angegriffene Marke bildet aus Sicht des Senats daher keine ohne weiteres erkennbare gesamtbegriffliche Einheit, so dass dies der Annahme einer selbstständig kennzeichnenden Stellung des Bestandteils „lyst“ und einer Wahrnehmung des angegriffenen Zeichens als Spezifizierung der Widerspruchsmarke nicht entgegensteht. Die Beschwerde führt daher zum Erfolg.“

BPatG, Beschl. v. 18.03.2023, Az. 29 W (pat) 59/20 – LYST vs. Greenlyst

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