Das Zeichen „SUPER illu“ stellt eine rechtserhaltende Benutzung der Marke „ILLU“ dar

Mit Urteil vom 26.01.2011 vertrat das OLG Karlsruhe die Auffassung, dass die Benutzung des Zeichens „SUPER illu“ rechtserhaltend für die unter dem Az. 39509427 eingetragenen Wortmarke „ILLU“ gelten würde (OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.01.2011, Az. 6 U 27/10). In den Entscheidungsgründen heißt es wie folgt wörtlich:

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts genügt aber die Benutzung des Zeichens „SUPER illu„, um den Verfall der Streitmarke zu vermeiden.
a) Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die S. Verlag GmbH & Co. KG, bei der es sich um eine Tochtergesellschaft der beklagten Markeninhaberin handelt, das Zeichen „SUPER illu“ mit deren Zustimmung benutzt hat (§ 26 Abs. 3 MarkenG). Konkrete Anhaltspunkte für die vollkommen unplausible Annahme, dass die über mehr als ein Jahrzehnt andauernde Benutzung ohne Zustimmung der Beklagten erfolgt sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Es handelt sich nicht nur um eine rein werktitelmäßige, sondern auch um eine markenmäßige Benutzung. Gerade der von der Klägerin betonte Umstand, dass Titel- und Markenschutz unterschiedliche Zielrichtungen haben, spricht dafür, dass in der Benutzung eines Zeichens als Titel eines Druckerzeugnisses nicht nur ein Hinweis zur Unterscheidung des Werks von anderen, sondern auch ein Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieses Erzeugnisses liegen kann (…). Dass ein solcher Fall hier gegeben ist, hat das Landgericht zutreffend wegen des erheblichen, langdauernden kommerziellen Erfolges der Zeitschrift „SUPER illu“ angenommen. Die Annahme entspricht dem anerkannten Erfahrungssatz, dass der Verkehr die Verwendung eines Begriffs umso eher als namens- oder zeichenmäßig ansieht, je mehr der Begriff ihm bereits als Namens- oder Warenkennzeichnung – sei es auch eines anderen als des konkreten Benutzers – bekannt ist (…).
c) Die Benutzung von „SUPER illu“ stellt eine rechtserhaltende Benutzung der Streitmarke „ILLU“ dar. Es handelt sich um die Benutzung in einer von der Eintragung abweichenden Form, ohne dass die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke veränderte, § 26 Abs. 3 S. 1 MarkenG. Maßgeblich ist, ob der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, d.h. in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (…). Bei der Hinzufügung eines Zeichenbestandteils (hier: SUPER) kommt es darauf an, dass der Verkehr den hinzugefügten Bestandteilen keine maßgebende eigene kennzeichnende Wirkung beimisst (…). Soweit es um das Verkehrsverständnis geht, kann der Senat die erforderlichen Feststellungen selbst treffen. Die Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist keine Tatsachenfeststellung, sondern Anwendung eines speziellen Erfahrungswissens (…), über das der Senat aufgrund seiner ständigen Befassung mit Kennzeichenstreitsachen verfügt. Im Übrigen gehören die Senatsmitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen der bundesweit angebotenen Zeitschrift (…). Die Feststellung des Verkehrsverständnisses kann auch dann aus eigener Sachkunde getroffen werden, wenn ein anderes Kennzeichengericht die Frage gegenteilig gewürdigt hat (…).

d) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte neben einer Reihe von anderen Zeichen mit dem Bestandteil „ILLU“ auch die Marke „SUPER ILLU“ registriert hat. Nach § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG ist Satz 1 der Vorschrift auch dann anzuwenden, wenn die Marke auch in der benutzten Form eingetragen ist. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber in Abweichung von der Rechtsprechung zum Warenzeichenrecht klargestellt, dass es auf die Eintragung des abgewandelten Zeichens gerade nicht ankommt. Entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht (…) ist § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG nicht wegen Verstoßes gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht unanwendbar. Nach Art. 10 Abs. 1 lit. a MRRL gilt als Benutzung der Marke auch die Benutzung in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinträchtigt wird; damit stimmt das nationale Recht (§ 26 Abs. 3 S. 1 MarkenG) inhaltlich überein. Eine Einschränkung für den Fall, dass die abgewandelte Form ihrerseits als Marke eingetragen ist, enthält der Text der Markenrechtsrichtlinie nicht.

3. Damit ist die Marke „ILLU“ für Magazine und Zeitschriften sowie deren Veröffentlichung und Herausgabe rechtserhaltend benutzt worden. Im Rahmen der nach der herrschenden Meinung zu § 49 Abs. 3 MarkenG zur Frage der Löschung teilbenutzter Oberbegriffe bevorzugten sog. „erweiterten Minimallösung“ (…) sind im Interesse der geschäftlichen Bewegungsfreiheit des Markeninhabers zusätzlich zu den tatsächlich benutzten diejenigen Waren und Dienstleistungen im Verzeichnis zu belassen, die nach der Verkehrsauffassung zum gleichen Waren-/Dienstleistungsbereich gehören (…). Im Streitfall gehören Zeitungen, Broschüren und Lichtbildererzeugnisse zum gleichen Warenbereich wie Zeitschriften und Magazine; Entsprechendes gilt für die Veröffentlichung und Herausgabe dieser Erzeugnisse im Verhältnis zur Veröffentlichung und Herausgabe von Zeitschriften und Magazinen. Hinsichtlich der weiteren Waren und Dienstleistungen hat es bei der vom Landgericht erkannten Löschung zu verbleiben. Eine Abstrahierung von den benutzten Zeitschriften auf die eingetragenen Oberbegriffe „Druckerei- und Verlagserzeugnisse“ scheidet nach der erweiterten Minimallösung aus.

Das OLG ließ die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zu. Die Frage, inwieweit § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG auf Fälle der vorliegenden Art anwendbar ist, habe grundsätzliche Bedeutung. Zudem weiche die vorliegende Entscheidung bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft des Bestandteils „illu“ in „SUPER illu “ von der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts München ab.

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