Anmerkung zur Sharelook/Sherlock-Entscheidung

Bemerkenswert an der Sharelook/Sherlock-Entscheidung (BPatG, Beschl. v. 29.06.2010, Az. 27 W (pat) 1/10 – Sharelook/Sherlock) ist, dass der 27. Senat des Bundespatentgerichts (BPatG) in dieser Entscheidung mit großer Vehements die sog. „Neutralisierungslehre“ des Gerichtshofs (vgl. hierzu Felchner, „Armer PICASSO – Die „Neutralisierungslehre“ des EuG“, MarkenR 09/2005, S. 377 ff.) vertritt und in dieser Entscheidung die vom 24. Senat in der zero/Xxero Luxury Cosmetics-Entscheidung vetretene, gegenteilige Auffassung (vgl. BPatG, Beschl. v. 21.04.2009 – 24 W (pat) 37/08 – zero/Xxero Luxury Cosmetics) – und somit auch die Spruchpraxis des Bundesgerichtshofs (BGH) – „ins Visier“ nimmt.

Worum geht es?

Wie Sie wissen, bedarf es, um eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bejahen, auch einer Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke. Ob eine solche Ähnlichkeit vorliegt, beurteilt sich nach den Kriterien „Klang“, „Optik/Schriftbild“ und „begrifflicher/sinngehaltlicher Inhalt“.

Unter Bezugnahme auf einige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) vertrat der 24. Senat in der zero/Xxero Luxury Cosmetics-Entscheidung (vgl. BPatG, Beschl. v. 21.04.2009, Az. 24 W (pat) 37/98 – zero/Xxero Luxury Cosmetics) die Auffassung, dass eine klangliche Ähnlichkeit bereits ausreichen würde um eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Der vor allem in der Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaft entwickelten und vom Europäischen Gerichtshof gebilligten sog. Neutralisierungslehre, wonach die klangliche Ähnlichkeit zweier Zeichen u. U. dann nicht für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen würde, wenn das Schriftbild und/oder der Sinngehalt deutlich erkennbare Abweichungen aufwiesen, also „neutralisiert“ würden, vermochte sich der 24. Senat „angesichts der entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland“ nicht anzuschließen.

Dem nun widerspricht der 27. Senat und vertritt, wie gezeigt wurde, die Auffassung, dass die deutschen Gerichte an die Rechtsprechung des Gerichtshofs „gebunden“ seien und diese Bindung nicht, wie vom 24. Senat ausgeführt, mit der Berufung auf eine „nationale Rechtsprechungstradition“ beseitigt werden könne. Eine solche Sicht sei „europarechts- und verfassungswidrig“.

Wie die AIDA/AIDU-Entscheidung des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 29.07.2009, Az. I ZR 102/07 – AIDA/AIDU) zeigt, geht der BGH nach wie vor davon aus, dass die Ähnlichkeit von Wortzeichen anhand des klanglichen und des schriftbildlichen Eindrucks sowie des Sinngehalts zu ermitteln sei, „wobei für die Annahme einer Verwechslungsgefahr bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht genügen“ könne. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, wie sich die Sharelook/Sherlock-Entscheidung des 27. Senats auf die Spruchpraxis der anderen BPatG-Senate und vor allen Dingen auf die des BGH auswirken wird. Solange der BGH sich jedoch nicht mit der sog. Neutralisierungslehre beschäftigt hat, bleibt die Rechtslage mit der Folge unklar, dass die Beratung für die im Markenrecht tätigen Rechts- und Patentanwälte durch diese Auseinandersetzung nicht einfacher, sondern vielmehr komplizierter geworden ist.

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