Die angemeldete Marke „FickShui“ verstößt weder gegen die öffentliche Ordnung noch gegen die guten Sitten

Nach Auffassung des Bundespatentgerichts (BPatG) verstößt die Wort-/Bildmarke

FickShui

Foto: http://register.dpma.de

die für Waren der Klassen 25, 26 und 28 angemeldet wurde, nicht gegen die öffentliche Ordnung bzw. die guten Sitten, § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG (BPatG, Beschl. v. 01.04.2010, Az. 27 W (pat) 41/10 – FickShui).

Ob andere absolute Eintragungshindernisse bestehen, sei noch zu prüfen.

In den Entscheidungsgründen heißt es auszugsweise wie folgt:

A. Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die angemeldete Kennzeichnung ist entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG sind nur solche Kennzeichnungen vom Markenschutz ausgenommen, welche gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen. Letzteres ist bei solchen Marken anzunehmen, welche das Empfinden eines beachtlichen Teils der beteiligten Verkehrskreise zu verletzen geeignet sind, indem sie sittlich, politisch oder religiös wirken oder eine grobe Geschmacksverletzung enthalten (…), wobei hierbei im Hinblick auf die Liberalisierung und Säkularisierung allerdings eine zurückhaltende Betrachtung zu wählen ist und nur solche Verstöße den Entzug des staatlichen (Marken-)Schutzes rechtfertigen, welche ein nicht mehr erträgliches Maß erreichen (…).
Soweit die Markenstelle hierbei meint, zwischen dem staatlichen Schutz als eingetragener Marke und der Kennzeichenverwendung als nicht-eingetragener Marke unterscheiden zu können, kann dem nicht gefolgt werden. Auch nicht-eingetragene Marken können dem staatlichen Schutz (…) unterstehen, wobei auch dieser Schutz seine Grenzen in den bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften und hier insbesondere in polizei-, gewerbe- oder strafrechtlichen Normen findet, die u. a. auch Untersagungsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit vorsehen oder den Schutz bei Sittenwidrigkeit des geltend gemachten Rechts versagen. Es ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb der staatliche Schutz einer Kennzeichnung durch Einräumung eines durch Eintragung entstehenden Monopolrechts engeren Grenzen unterliegen sollte als der staatliche Schutz für nicht eingetragene Kennzeichnungen. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG soll nur sicherstellen, dass Kennzeichnungen, deren Verwendung entweder untersagt werden kann oder die wegen bestehender Sittenwidrigkeit nicht gegenüber Dritten geschützt werden sollen, nicht über die Eintragung als Marke einen Schutz erfahren oder zumindest den Eindruck erwecken, dass sie hierdurch einen (staatlichen) Schutz beanspruchen können. Demgegenüber soll über § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG nicht über die allgemeinen Untersagungstatbestände hinaus ein eigenständiges markenrechtliches Schutzhindernis geschaffen werden; umgekehrt bedeutet dies, dass Kennzeichnungen, deren Verwendung als nicht-eingetragene Marke aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung keine Hindernisse entgegenstehen, nicht die Eintragung über § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG versagt werden kann. Damit ist im Rahmen dieser Vorschrift allein zu prüfen, ob die Verwendung der angemeldeten Kennzeichnung auch außerhalb des Markenrechts einem Verbot staatlichen Schutzes wegen Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung unterliegt. Darunter fällt neben gewerbe-, polizei- und strafrechtlichen Normen (einschließlich des Jugendschutzes) auch die generelle Verneinung von zivilrechtlichen Ansprüchen des Kennzeicheninhabers gegenüber Dritten entsprechend den allgemeinen Rechtsgedanken der §§ 138, 242 BGB – deren Bejahung wiederum zugunsten des Kennzeicheninhabers verfassungsrechtliche Garantien, insbesondere die Gewährung der Grundfreiheiten wie Meinungs-, Kunst-, Wissenschafts- und Religionsfreiheit entgegenstehen können. Dabei muss sich diese Verbotsmöglichkeit auf alle Verwendungsformen der angemeldeten Marke beziehen und alle unter das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis fallenden Waren und Dienstleistungen erfassen, um ihr die Eintragung ins Markenregister zu versagen; fällt nämlich nur eine bestimmte Verwendungsform oder nur die Verwendung der Marke für einzelne konkrete Waren oder Dienstleistungen unter das (außermarkenrechtliche) allgemeine Verbot, besteht kein Grund, der angemeldeten Marke insgesamt die Eintragung zu versagen, weil bereits durch die allgemeinen Verbotstatbestände ihr Einsatz in bestimmten Sachverhalten untersagt ist; ihr darüber hinaus insgesamt den Anspruch auf Einräumung der Gewährung des stattlichen Schutzes zu entziehen, wäre demgegenüber unverhältnismäßig.
2. Solche allgemeinen Versagungstatbestände hat aber weder das Deutsche Patent- und Markenamt aufgezeigt noch sind sie anderweitig ersichtlich. Auch wenn der Wortbestandteil „Fick“ sexuelle Bezüge aufweist und vulgärsprachlichen Ursprungs ist (vgl. hierzu Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM] Stichwort „ficken“), stellt dies für sich genommen keinen Grund für eine Schutzversagung aus dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die guten Sitten dar. Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass durch dieses Wort das sittliche Empfinden der überwiegenden Bevölkerungsteile generell oder im Rahmen seines Einsatzes als Waren- oder Dienstleistungskennzeichnung über Gebühr berührt ist; vielmehr ist aufgrund der zahlreichen Verwendung dieses Wortes etwa in literarischen oder filmischen Zusammenhängen eine gewisse Abnutzung dieses Wortes in der Weise festzustellen, dass es kaum noch als anstößig oder gar (sexuell) provozierend empfunden wird. Auch eine Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsteile ist bei der Verwendung dieses Begriffs nicht ersichtlich.
Ob die angemeldete Marke den Anforderungen des guten Geschmacks genügt, ist nicht entscheidungsrelevant, weil die Verneinung dieser Frage für eine Schutzversagung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG regelmäßig nicht ausreicht. Eine ästhetische Prüfung auf die Anforderungen des guten Geschmacks ist nicht Gegenstand des patentamtlichen Eintragungsverfahrens.
Ein unerträglicher Verstoß gegen das sittliche Empfinden wäre dann anzunehmen, wenn die angemeldete Marke über eine bloße Geschmacklosigkeit hinaus Aussagen enthält, die massiv (z. B. geschlechtsspezifisch) diskriminierend und/oder die Menschenwürde beeinträchtigend sind bzw. ernsthaft so verstanden werden können. Davon kann bei dem Wort „Fick“, dessen Grundform „ficken“ seit geraumer Zeit nicht nur ständiger Bestandteil von Talkshowbeiträgen im deutschen Privatfernsehen ist, sondern auch zum Vokabular u. a. des modernen Theaters gehört, auf Grund dieser veränderten Sprachgewohnheiten, aber auch deshalb, weil es in seinem Aussagegehalt geschlechtsneutral und damit nicht einseitig herabsetzend ist, nicht ausgegangen werden (…).
Ein Verstoß gegen die guten Sitten kann auch nicht aus der Verbindung des vorgenannten vulgärsprachlichen Ausdrucks mit dem chinesischen Wort „shui“ und der Anlehnung an den Begriff „Feng shui“ hergeleitet werden. Letzterer ist – wie auch die Markenstelle ausgeführt hat – nicht religiösen Ursprungs, sondern stammt eher aus einem Kontext, der eine bestimmte Lebenseinstellung kennzeichnet. Zwar kann unter bestimmten Umständen auch die Herabsetzung einer philosophischen Ausrichtung untersagt werden, wenn sie unter den Schutzbereich des Art. 4 GG fällt. Im Fall der hier betroffenen Lehre ist aber zu beachten, dass sie bereits vielfältig kommerzialisiert ist, wie ihr Einsatz zur Beschreibung zahlreicher Waren und Dienstleistungen (einschließlich der Unterbringung und Verpflegung von Gästen, wie zahlreiche Feng-Shui-Hotels und -gaststätten belegen) zeigt; damit hat dieser Begriff aber den rein (lebens-)philosophischen Kontext bereits verlassen und ist zu einem allgemein kommerzialisierten Werbemittel geworden. Vor diesem Hintergrund ist damit nicht anzunehmen, dass beachtliche Bevölkerungsteile die in der vorliegenden Anmeldemarke vorhandene Verbindung mit einem vulgärsprachlichen sexuellen Begriff in irgendeiner Weise als so anstößig oder diskriminierend empfinden, dass sie als Kennzeichnung von Waren ausschiede.
3. Da die Prüfung des angefochtenen Beschlusses durch den Senat allein auf den Versagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG beschränkt ist, ist mit den vorstehenden Ausführungen noch nichts dazu gesagt, ob die Anmeldemarke ggf. aus anderen Gründen – etwa wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG oder eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG – schutzunfähig wäre. Dabei wäre allerdings zu beachten, dass diese Schutzhindernisse nicht nur in Bezug auf die vorliegend allein zu erörternde Wortkombination vorliegen, sondern sich auf die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit beziehen müssten.

Bemerkung:

Der Senat beschäftigt sich mit der Frage, wann eine Marke gegen die öffentliche Ordnung bzw. die guten Sitten gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG verstößt und führt sehr schön aus, dass diese unbestimmten Rechtsbegriffe eine gesellschaftliche Wandlung erfahren (können).

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