Landgericht Köln, Urt. v. 29.01.2009, Az. 31 O 537/08

Leitsatz
  1. Die Anbringung des Schriftzuges „D“ auf den Modelleisenbahnen der Beklagten stellt eine markenmäßige, die Herkunftsfunktion der Klägermarke verletzende Benutzung dar.
  2. Anders als das Herstellerzeichen des Originals bei Modellautos ist bei der Marke eines Eisenbahndienstleisters bei Modelleisenbahnen nicht davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Aufbringung der Marke nur als Abbildung der Wirklichkeit begreifen.
  3. Ein Lizenznehmer kann keine Schadensersatzansprüche zur Leistung an sich selber und entsprechend auch keine Auskunfts- oder Rechnungslegungsansprüche geltend machen. Dazu fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. § 30 Ab. 4 MarkenG stellt ausschließlich eine verfahrensrechtliche Vorschrift dar und dient nicht als materielle Anspruchsgrundlage. Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch bei einer Markenverletzung ist nur § 14 Abs. 6 MarkenG. Diese Bestimmung sieht ausschließlich einen Schadensersatzanspruch für den Markeninhaber vor.
  4. Den Schaden, der dem Lizenznehmer entstanden ist, kann der Lizenzgeber als Markeninhaber im Wege der Drittschadensliquidation im eigenen Namen geltend machen. Ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB, der der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs dient.

Aus dem Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Modelleisenbahnen. Beide Parteien stellen Modelleisenbahnen her, auf die der Schriftzug „D“ aufgebracht ist.

Die D AG ist ein Eisenbahndienstleistungsunternehmen, das im Personenverkehr zwischen der Schweiz und Italien tätig ist. Die von ihr verwendeten Züge tragen den Schriftzug „D“. Sie ist Inhaberin der international unter der Nummer ### registrierten Wortmarke „D“. Die Marke ist unter anderem eingetragen für Spiele und Spielsachen, beinhaltend elektrische und elektronische Spielzeuge außer solchen, welche bestimmt sind, mit einem Fernsehempfänger verwendet zu werden.

Die Klägerin schloss am 12.03.2005 mit der D AG einen Vertrag über die Nutzung der Marke „D“ für Modelleisenbahnen. Art. 4 des Vertrages räumt der Klägerin das ausschließliche Recht ein, den Namen und das Logo „D“ für die Nachbildung des näher spezifizierten Rollmaterials der D AG zu verwenden. Beide Parteien sind gemäß Art. 5.3 verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zum Schutz des Vertrages zu ergreifen und insbesondere gerichtlich gegen jede missbräuchliche, nicht vom Vertrag vorgesehene Nutzung der Marke „D“ durch zum Modelleisenbahnmarkt gehörende Dritte vorzugehen.

Die Beklagte hat keine vergleichbaren vertraglichen Vereinbarungen mit der D AG.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Herstellung und der Vertrieb von Modelleisenbahnen, auf denen der Schriftzug „D“ aufgebracht ist, verletze die für die D AG eingetragene Marke.

Dazu behauptet sie, die Marke „D“ sei auch für Deutschland eingetragen. Sie und die D AG selber vertrieben Modelleisenbahnen mit dem Schriftzug „D“ auch in Deutschland. Die Verpackung für die von der D AG vertriebenen Modelle wiesen – bei Identität der darin enthaltenen, von der Klägerin hergestellten Produkte – diese als Lieferantin aus.

Die Beklagte bestreitet den Vertrieb der „D“-Modelleisenbahnen der Klägerin durch diese und die D AG in Deutschland mit Nichtwissen. Sie ist der Auffassung, die Markenrechte der D AG seien durch die Verwendung des Schriftzuges auf den Modelleisenbahnen nicht verletzt, da die Herkunftsfunktion der Marke nicht beeinträchtigt werde.
Die Beklagte meint, der Verbraucher werde die Verwendung des Kennzeichens der D AG ausschließlich als Teil der detailgetreuen Nachbildung der real existierenden Eisenbahn verstehen. Der Sachverhalt liege vollkommen parallel zu dem Fall der Verwendung des Herstellerkennzeichens der P AG auf Modellautos.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Aus den Entscheidungsründen

Die Klage sei teilweise begründet.

Die Klägerin habe gegen die Beklagte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Verbindung mit dem Vertrag zwischen ihr und der D AG. Als Lizenznehmerin sei ihr die Geltendmachung von Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüchen hingegen verwehrt.

Die Klägerin sei als Lizenznehmerin der D AG hinsichtlich der Wortmarke D gemäß § 30 Abs. 3 MarkenG aktivlegitimiert. Durch die vertragliche Verpflichtung beider Parteien gemäß Art. 5.3 des Vertrages, Markenverstöße gerichtlich zu verfolgen, sei ihr konkludent das Recht eingeräumt worden, gegen Markenverletzungen der vorliegenden Art gerichtlich vorzugehen.

Die D AG verfüge über formellen Markenschutz nach § 4 Nr. 1 MarkenG auch für Deutschland in Bezug auf die unter der Nummer ### eingetragene Wortmarke „D“ für Spiele und Spielsachen, beinhaltend elektrische und elektronische Spielzeuge.

Die Eintragung auch für Deutschland ergebe sich aus dem als Anlage K4 eingereichten und auch durch das Gericht reproduzierbaren Auszug aus der Datenbank der World International Property Organisation (WIPO). Die Beklagte habe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die dort vermerkte Eintragung für Deutschland („DE“) unrichtig sei. Der Hinweis darauf, dass Ländereintragungen in derartigen Datenbanken generell unrichtig sein können, reicht nicht aus. Dem Vortrag der Klägerin sei zu entnehmen, dass die Eintragung der Marke auch für Deutschland auf Veranlassung der D AG geschah. Wenn dann in einer internationalen Datenbank eben diese (antragsgemäße) Markenregistrierung ausgewiesen werde, bedürfe es – hier nicht vorgetragener – auf den Einzelfall bezogener Anhaltspunkte für die Annahme der Unrichtigkeit der Eintragung. Schließlich müsste zunächst ein Antrag auf Eintragung für Deutschland abgelehnt worden, die Eintragung dann aber fälschlich in der Datenbank zugunsten des Antragsstellers ausgewiesen worden sein.

Die Marke sei in Deutschland durch den Vertrieb der Modelleisenbahnen mit dem Schriftzug „D“ durch die Klägerin und die D AG auch genutzt worden. Das Bestreiten des Vertriebs der Modelleisenbahnen mit dem Schriftzug „D“ durch die D AG und die Klägerin mit Nichtwissen sei gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig. Es sei fernliegend, dass es nicht Gegenstand der Wahrnehmung der Beklagten sei, wer auf dem deutschen Markt außer ihr „D“-Modelleisenbahnen vertreibe. Die Beklagte biete selber solche Bahnen auf dem deutschen Markt an und sei auf dem deutschen Markt für Modelleisenbahnen seit geraumer Zeit maßgeblich tätig. Im Übrigen genüge Wahrnehmungsmöglichkeit. Diese sei bei einem langjährigen Marktteilnehmer mit Sitz in Deutschland zu unterstellen.

Die Klägerin stütze sich auf eine Verletzung der auch für elektrische und elektronische Spielzeuge eingetragenen Marke „D“ gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch die Kennzeichnung der Modelleisenbahnen der Beklagten mit „D“. Durch die Anbringung der Marke „D“ auf den Modelleisenbahnen benutze die Beklagte die Marke der D AG. Sie benutze die Marke für eine identische Ware wie die Markeninhaberin und die Klägerin als Lizenznehmerin.
Die Anbringung des Schriftzuges „D“ auf den Modelleisenbahnen der Beklagten stelle eine markenmäßige, die Herkunftsfunktion der Klägermarke verletzende Benutzung dar.

Der EuGH verlange seit seiner Entscheidung „Opel-Blitz“, dass über die Benutzung der Marke hinaus mit dieser Benutzung die Herkunftsfunktion der Marke verletzt sein müsse. Gemäß Rz. 24 und 25 des Urteils sei dafür entscheidend, ob die maßgeblichen Verkehrskreise das mit einem Kennzeichen versehene Modell als Angabe darüber verstehen würden, dass diese Waren von dem Markeninhaber oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammen. Letzteres sei hier der Fall.

Wie das OLG Nürnberg in der Berufungsentscheidung zu der der EuGH Entscheidung zugrunde liegenden Sache zutreffend ausführte, sei der Begriff „wirtschaftlich verbundenes Unternehmen“ auf Grund der Rz. 9 im Urteil des EuGH so zu verstehen, dass damit Lizenznehmer gemeint seien. Als Lizenznehmer siehe der Verbraucher einen Hersteller an, der für die Produktion oder den Vertrieb seiner Waren eine Erlaubnis von einem Dritten benötige. Markenschutz bestehe daher nicht etwa nur, wenn die Verkehrskreise aufgrund des angebrachten Kennzeichens davon ausgehen würden, dass der Markeninhaber oder ein konzernrechtlich verbundenes Unternehmen Hersteller der Ware sei.

Anders als das Herstellerzeichen des Originals bei Modellautos sei bei der Marke eines Eisenbahndienstleisters bei Modelleisenbahnen nicht davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Aufbringung der Marke nur als Abbildung der Wirklichkeit begreifen würden.

Bereits der Generalanwalt hat in seinem Schlussantrag in der Sache „Opel-Blitz“ darauf hingewiesen, dass ein nicht unerheblicher Teil von Spielzeug in der möglichst detailgetreuen Nachbildung der Erwachsenenwelt, insbesondere in der Nachbildung von Fortbewegungsmitteln wie Autos, Schiffen und Eisenbahnen bestehe (siehe Nrn. 37ff. im Schlussantrag).

Grundsätzlich seien auch Modelleisenbahnen nach dem Vortrag beider Parteien möglichst realitätstreue Nachbildungen der Wirklichkeit. Die vom OLG Nürnberg für Modellautos unterstellte Annahme, dass ein Modellauto ohne Herstellerkennzeichen kein Modellauto sei, sei jedoch nicht auf den Fall der Marke eines Eisenbahndienstleisters auf Modelleisenbahnen übertragbar.

Es könnten auch realistische Eisenbahnmodelle hergestellt werden, ohne dass es der Aufbringung gerade der Marke eines bestimmten Eisenbahndienstleisters bedürfe. Dieselben Modelle eines Herstellers werden z.T. parallel von unterschiedlichen Dienstleistern verwendet. Alte Züge eines Dienstleisters würden später veräußert und von anderen Dienstleistern genutzt. Dabei werde ein möglicherweise vorhandenes Kennzeichen des Herstellers der Eisenbahn auf dieser verbleiben können, der Schriftzug des Dienstleisters werde – soweit vorhanden – in der Regel ausgetauscht. Die aufgebrachte Marke eines Autoherstellers verbleibe hingegen beim Verkauf in aller Regel unverändert auf dem Produkt.

Hinzu komme, dass die D AG (anders als in dem der Entscheidung des OLG Nürnberg zu Grunde liegenden Fall betreffend Modellautos) weder Hersteller des Originals noch des Spielzeugs sei. Beides sei nur mit der Marke beschriftet, um die Ware der D AG als Dienstleister und Benutzer der Ware zuzuordnen. Ein RE 484 SBB – wie ihn die Beklagte nachgebaut habe – könne eben auch ohne „D“- Schriftzug in Miniatur realitätsgetreu dargestellt werden. Es sei eine nicht vom Anspruch auf Realitätstreue diktierte freie Entscheidung der Modellbahnhersteller, ob sie auf eine Modelleisenbahn das Logo eines bestimmten Dienstleisters aufbringen würden. Das sei nicht vergleichbar mit der Kennzeichnung eines PKW mit dem Markenzeichen eines Autoherstellers. Es sei vielmehr so, als würde ein Modellautohersteller sich entschließen, auf sein Modell eines bestimmten Autos neben dem Herstellerkennzeichen auch das Logo eines Dienstleisters aufzubringen, der für seine Dienstleistung eigens gekennzeichnete PKW oder LKW verwende (wie es z.B. Autovermietungen oder Automobilclubs tun würden). Das werde nicht markenrechtlich alleine dadurch zulässig, dass es sich dabei um originalgetreue Abbildungen bestimmter in der Realität existierender Vorbilder handele. Der Verkehr werde bei dem Original wie bei der Miniatur davon ausgehen, dass das Produkt von dem fraglichen Dienstleister oder einem verbundenen Unternehmen herrühre.

Soweit Modelleisenbahnen den Schriftzug „D“ tragen würden, sei die Annahme nahe liegend, dass der Verkehr wie bei dem von der D AG für Eisenbahndienstleistungen verwandten Rollmaterial davon ausgehe, dass dieser auch die Modelleisenbahnen zugeordnet werden sollten.

Denn ein rechtlich beachtlicher Anteil der angesprochenen Verkehrskreise, die mit den Modelleisenbahnen mit der Aufschrift „D“ angesprochen würden, wisse, dass „D“ ein (Eisenbahn-)Dienstleistungsunternehmen sei und kein produzierendes Unternehmen.

Die hier angesprochenen Verkehrskreise seien wesentlich andere als die von den Modellautos im Falle des oben zitierten EuGH-Urteils. Das Produkt, das hier als konkrete Verletzungsform angegriffen werde, sei kein niedrigpreisiges, im Massengeschäft eines Discounters vertriebenes Kinderspielzeug (wie im Fall des OLG Nürnberg), sondern ein hochpreisiges Liebhaberprodukt, welches in der Regel im Fachhandel vertrieben werde und insbesondere auch Erwachsene anspreche.

Nicht bei jeder Miniatur eines Originals könne, nur weil sie ein Spielzeug sei, davon ausgegangen werden, dass deren Herstellung die Herkunftsfunktion einer Spielzeugmarke nicht verletze. Jedenfalls könne dies für das Kennzeichen eines vergleichsweise jungen, räumlich sehr begrenzt tätigen Eisenbahndienstleisters, der auch das Original nicht selber herstellt, nicht gelten.

Dies gelte umso mehr, als anders als im Fall „Opel-Blitz“ durch den als Anlage K1 vorgelegten Vertrag belegt werde, dass die D AG tatsächlich Lizenzen für die Herstellung und den Vertrieb von Modelleisenbahnen erteile.
Da es naheliege, dass der Verkehr nicht nur echtes Rollmaterial, sondern auch die Modelleisenbahnen mit deren Logo der D AG zuordne, sei es auch plausibel, dass die D AG ein Interesse daran habe, die Qualität der Modelleisenbahnen mit ihrem Logo zu sichern. Die vertraglichen Vorschriften zur genauen Kontrolle der Entwürfe der Modellbahnen der Klägerin seitens der D AG sowie das Erfordernis ausdrücklicher Zustimmung der D AG für die Produktion und den Vertrieb des jeweiligen Modells durch die Klägerin fänden sich in Ziffer 4.2 der Anlage K1. Das pauschale Bestreiten eines entsprechenden Vorgehens der Vertragsparteien durch die Beklagte sei angesichts des vorgelegten Vertrages unbeachtlich.

Als Lizenznehmerin könne die Klägerin keine Schadensersatzansprüche zur Leistung an sie selber und entsprechend auch keine Auskunfts- oder Rechnungslegungsansprüche geltend machen. Dazu fehle es an einer Anspruchsgrundlage. § 30 Ab. 4 MarkenG stelle ausschließlich eine verfahrensrechtliche Vorschrift dar und diene nicht als materielle Anspruchsgrundlage. Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch bei einer Markenverletzung sei nur § 14 Abs. 6 MarkenG. Diese Bestimmung siehe ausschließlich einen Schadensersatzanspruch für den Markeninhaber vor. Den Schaden, der dem Lizenznehmer entstanden sei, könne der Lizenzgeber als Markeninhaber im Wege der Drittschadensliquidation im eigenen Namen geltend machen. Ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB, der der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs diene, stand der Klägerin mangels eigenen Schadensersatzanspruchs ebenso nicht zu. Gleiches gelte für den Anspruch auf Rechnungslegung, der nur der Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs dient.

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