Bundespatentgericht (BPatG), Beschl. v. 07.10.2008, Az. 27 W (pat) 110/08 – formreich

Leitsatz
  1. Das Zeichen „formreich“ fehlt betreffend einzelner Waren der Waren der Klassen 18, 25 und 28 die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und ist daher nicht eintragungsfähig.
  2. Einem Zeichen fehlt die Unterscheidungskraft, wenn sie nur einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt hat. Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann.
  3. Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft im Eintragungsverfahren ist allein, ob irgendeine unter das Warenverzeichnis fallende Ware ein mit der angemeldeten Bezeichnung wiedergegebenes Merkmal aufweisen kann, so dass die tatsächliche oder tatsächlich beabsichtigte Verwendung der Anmeldemarke bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Bezeichnung ohne Bedeutung ist.

Aus den Entscheidungsgründen

Mit der Markenstelle gehe auch der Senat davon aus, dass die angemeldete Bezeichnung nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen sei.

Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt habe, werde der weitaus größte Teil der angesprochenen Verkehrskreise (das seien hier alle inländischen Verbraucher) das Wort „formreich“ ohne Weiteres mit dem lexikalisch verzeichneten üblichen Begriff „formenreich“ gleichsetzen, der in der Bedeutung „eine Vielfalt der Erscheinungsformen aufweisend; vielgestaltig“ geläufig sei. Keine Rolle spiele in diesem Zusammenhang der von der Anmelderin als Beleg für die Schutzfähigkeit behauptete Umstand, die angemeldete Bezeichnung sei eine „lexikalische Erfindung“, denn nach ständiger Rechtsprechung, sei allein maßgeblich, ob die Bezeichnung in den Augen der angesprochenen Abnehmer eine (beschreibende) Bedeutung haben könne, was grundsätzlich auch bei „neu erfundenen“ Begriffen der Fall sein könne.

Da der Verkehr die Anmeldemarke somit ohne Weiteres als Synonym zu dem bekannten Begriff „formenreich“ auffassen werde, werde er mit ihr allein den beschreibenden Hinweis auf die Vielgestaltigkeit der beanspruchten Schuhe, Etuis und Mobiles verbinden. Der Hinweis der Anmelderin, die von ihr vertriebenen Waren
wiesen eine solche Formenvielfalt nicht auf, stehe dem nicht entgegen. Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft im Eintragungsverfahren sei allein, ob irgendeine unter das Warenverzeichnis fallende Ware ein mit der angemeldeten Bezeichnung wiedergegebenes Merkmal aufweisen könne, so dass die tatsächliche oder tatsächlich beabsichtigte Verwendung der Anmeldemarke bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Bezeichnung ohne Bedeutung sei. Da unter die im Warenverzeichnis genannten (Ober-)Begriffe aber Waren fallen könnten, die verschiedene Formen aufweisen würden und die Anmeldemarke für solche Waren eine im Vordergrund stehende beschreibende Angabe darstelle, so dass sie die Hauptfunktion einer Marke, die gekennzeichneten Waren nach ihrer Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen zu kennzeichnen, nicht erfüllen könne, sei sie nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht eintragbar.

Auch aus der Eintragung von nach Ansicht der Anmelderin vergleichbaren Marken ergebe sich nichts Anderes. Die Schutzgewährung für andere, vergleichbare Marken begründe nämlich keinen Anspruch auf Eintragung. Voreintragungen führten weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden hätten, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke sei keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung (insbesondere des Europäischen Gerichtshofs) vermöge der Senat auch der gegenteiligen Auffassung des 29. Senats des BPatG (vgl. MarkenR 2008, 124 – Schwabenpost) nicht näherzutreten. Die Eintragungsfähigkeit eines Zeichens sei daher allein auf der Grundlage des einschlägigen Rechts in der Auslegung durch die zuständigen Gerichte zu beurteilen und nicht auf der Grundlage einer evtl. bestehenden abweichenden Entscheidungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts.

Der Hinweis der Anmelderin auf die angebliche Verkehrsgeltung der angemeldeten Kennzeichnung nach § 4 Nr. 2 MarkenG – wobei sie ausdrücklich klargestellt habe, hiermit nicht eine Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG geltend machen zu wollen – vermöge eine Eintragbarkeit der Marke ebenfalls nicht zu begründen. Wie sich bereits aus der Formulierung in § 4 MarkenG ergebe, beziehe sich die Verkehrsgeltung nach § 4 Nr. 2 MarkenG nämlich nur auf als Marke nicht eingetragene geschäftliche Bezeichnungen, welche ebenfalls dem Markenschutz nach §§ 14, 15 MarkenG unterfielen; keinesfalls könne sie so verstanden werden, dass die Verkehrsgeltung einer geschäftlichen Bezeichnung allein die Eintragbarkeit als Marke begründe; vielmehr stelle der Wortlaut von § 37 Abs. 1 MarkenG klar, dass die Prüfung der Eintragbarkeit ausschließlich anhand der in § 8 MarkenG genannten Voraussetzungen zu erfolgen habe, zu denen die Verkehrsgeltung nach § 4 Nr. 2 MarkenG nicht gehöre. Soweit der Hinweis der Anmelderin – trotz ihrer ausdrücklich das Gegenteil besagenden Klarstellung – auch als Geltendmachung einer Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG, welche eine Eintragung ermöglichen würde, verstanden werden könnte, fehle es hierzu an jeglicher Glaubhaftmachung einer solchen Eintragungsvoraussetzung, so dass dem nicht weiter nachzugehen sei.

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