Bundespatentgericht (BPatG), Beschl. v. 24.09.2008, Az. 26 W (pat) 88/07 – Schneewittchen/Dornröschen

Leisatz
  1. Durch den Umstand, dass es sich um bekannte Märchenfiguren der Gebrüder Grimm handelt, ist wischen den Vergleichsmarken zwar eine gewisse begriffliche Parallele gegeben Dies genügt indes für die Annahme einer begrifflichen Verwechslungsgefahr bereits deshalb nicht, weil es auf dem vorliegenden Warensektor zahlreiche Drittzeichen gibt, die ebenfalls bekannte Märchengestalten bezeichnen, so dass ein Hinweischarakter von Märchenfiguren allein auf die Widersprechende keinesfalls gegeben ist.
  2. Abgesehen von den Umstand, dass beide Marken weibliche Märchenfiguren bezeichnen, werden die Märchengestalten „Dornröschen“ und „Schneewittchen“ nicht offensichtlich miteinander in Verbindung gebracht werden, da es sich inhaltlich thematisch um zwei vollkommen verschiedene Märchen handelt, deren Gemeinsamkeiten nicht über die für viele Märchen charakteristischen Elemente hinausgehen. Die Übereinstimmungen im begrifflichen Zeicheninhalt sind demnach so gering, dass sich ihre Wirkung auf den Bereich einer allgemeinen, nicht herkunftshinweisenden Assoziation beschränkt, die für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht genügt.

Aus dem Sachverhalt

In einem Widerspruchsverfahren standen ich für die Ware „Wein“ eingetragene Wortmarke „Dornröschen“ und die für die Waren „Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze, Kühleis; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ eingetragenen prioritätsälteren Wortmarke „Schneewittchen“ gegenüber.

Aus den Entscheidungsgründen

Das BPatG verneinte im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr.

Bei bestehender Identität der Ware „Wein“ der angegriffenen Marke mit „alkoholischen Getränken (ausgenommen Biere)“ der Widerspruchsmarke und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke würden sämtliche Formen der unmittelbaren Verwechslungsgefahr zwischen „Dornröschen“ und „Schneewittchen“ ausscheiden, da es keine ausreichenden klanglichen, schriftbildlichen und auch keine unmittelbar begrifflichen Übereinstimmungen zwischen den Vergleichsmarken gebe.

Die Gefahr, dass das angegriffenen Zeichen im Sinn der Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens der Zeichen infolge einer teilweisen Übereinstimmung in einem wesentlichen Kern der Widersprechenden zugeordnet werde, bestehe ebenfalls nicht.

Insbesondere könne eine mittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr gegeben sein, wenn trotz der erkannten begrifflichen Unterschiede wegen einer Ähnlichkeit des Sinngehalts und einer einander entsprechenden Markenbildung auf eine Zusammengehörigkeit i. S. v Serienmarken geschlossen werden könne. Dies gelte insbesondere bei Marken, die denselben charakteristischen Aufbau aufweisen oder aus sonstigen Gründen den Gedanken an dieselbe betriebliche Herkunft nahelegen würden, was durch eine Benutzung einer Zeichenserie durch die Widersprechende gefördert werde. Die gedankliche Verbindung müsse sich zudem aufdrängen. Dies ei vorliegend nicht der Fall.

Vorliegend bestehe zum einen Übereinstimmung in der Endsilbe „-chen“, was aber aufgrund des Umstandes, dass es sich um eine bloße Verkleinerungsform und damit nicht um einen hinweiskräftigen Stammbestandteil auf die Widersprechende handele, nicht für eine gedankliche Verbindung ausreichen würde, selbst wenn die Widersprechende über weitere Zeichen mit diesem Bestandteil verfüge.

Zwischen den Vergleichsmarken sei zudem zwar eine gewisse begriffliche Parallele gegeben durch den Umstand, dass es sich um bekannte Märchenfiguren der Gebrüder Grimm handele. Dies genüge indes für die Annahme einer begrifflichen Verwechslungsgefahr bereits deshalb nicht, weil es auf dem vorliegenden Warensektor zahlreiche Drittzeichen gebe, die ebenfalls bekannte Märchengestalten bezeichnen, sodass ein Hinweischarakter von Märchenfiguren allein auf die Widersprechende keinesfalls gegeben sei. Zum anderen könnten, abgesehen von den Umstand, dass beide Marken weibliche Märchenfiguren bezeichnen würden, die Märchengestalten „Dornröschen“ mit „Schneewittchen“ nicht offensichtlich miteinander in Verbindung gebracht werden, da es sich inhaltlich thematisch um zwei vollkommen verschiedene Märchen handeln, deren Gemeinsamkeiten nicht über die für viele Märchen charakteristischen Elemente hinausgehen würde. Die Übereinstimmungen im begrifflichen Zeicheninhalt seien demnach so gering, dass sich ihre Wirkung auf den Bereich einer allgemeinen, nicht herkunftshinweisenden Assoziation beschränke, die für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht genügen würde.

Bei der gegebenen Sachlage bestehe auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn. Bei dieser Art der Verwechslung erkennt der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen, geht aber von einer teilweisen Übereinstimmung von organisatorischen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Zeicheninhabern aus. Eine solche Verwechslungsgefahr könne nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden. Allein dadurch, dass die Vergleichszeichen zwei bekannte Märchenfiguren der Gebrüder Grimm bezeichnen würden, dränge sich für den Durchschnittsverbraucher nicht der Eindruck auf, die Zeichen seien zur Kennzeichnung bestehender Unternehmensverbindungen aufeinander bezogen, nicht zuletzt aufgrund der bestehenden Drittzeichen.

Resümee

Die Entscheidung zeigt, dass eine allgemeine, nicht herkunftshinweisende Assoziation die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht begründet.

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