Oberlandesgericht Köln, Urt. v. 06.02.2009, Az. 6 U 147/08 – Deutschland sucht den Superstar/S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer

Leitsatz

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln) nutzen die Slogan „S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer“ und „S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer“ die Wertschätzung der bekannten Marken (u. a. „Deutschland sucht den Superstar“) der Klägerin ungerechtfertigt und in unlauterer Weise aus, § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.

Aus dem Sachverhalt

Die Klägerin ist Inhaberin der Wortmarke „Deutschland sucht den Superstar“ (Nr. xxx1) und zweier Wort-/Bildmarken mit diesem Wortbestandteil, die jeweils bis spätestens Oktober 2003 auch für den Warenbereich Möbel eingetragen worden sind (Nr. xxx2 und xxx3) wie nachfolgend in schwarz-weißer Abbildung wiedergegeben: …

Am 6.3.2008 (Nr. xxx4) und am 15.9.2008 (Nr. xxx5) sind für die Klägerin zudem zwei weitere Wort-/Bildmarken mit dem gleichen Textbestandteil, auch für den Warenbereich Möbel, eingetragen worden. Außerdem ist sie Inhaberin der Wortmarke „Deutschland sucht den Superstar Junior“ (Nr. xxx6) und von zwei Wort-/Bildmarken mit dem Wortbestandteil „Superstar weltweit“ (Nr. xxx7 und xxx8).

Die Beklagte, die bundesweit Möbel- und Einrichtungshäuser betreibt, veranstaltete im August 2007 unter Verwendung des in der konkreten Verletzungsform dargestellten Logos mit dem Slogan „S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer“ ein Gewinnspiel, das sie im Internet und wie nachfolgend in schwarz-weißer Abbildung wiedergegeben in Werbeprospekten bewarb (Einsendeschluss 19.8.2007): …
Die Klägerin mahnte die Beklagte deswegen ab und erwirkte am 17.8.2007 gegen die Beklagte eine einstweilige Unterlassungsverfügung. In der Folgezeit veranstaltete die Beklagte ein vergleichbares Gewinnspiel mit einem veränderten Logo unter dem Slogan „S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer“ (Einsendeschluss 9.9.2007) wie nachfolgend in schwarz-weißer Abbildung wiedergegeben: …

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, das Logo „S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer“ in der konkreten Verletzungsform zur Bewerbung von Möbeln und Wohnbedarf zu benutzen oder benutzen zu lassen und der Klägerin unter Vorlage eines detaillierten Verzeichnisses Auskunft über die bisherige Werbung mit diesem und dem in einer konkreten Verletzungsform wiedergegebenen Logo „S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer“ zu erteilen; außerdem hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch die Werbung unter dem Slogan „S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer“ entstandenen oder zukünftig entstehenden Schaden zu ersetzen.

Mit der Berufung, mit der die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen will, macht sie geltend, eine Verletzungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liege nicht vor, insbesondere habe die Klägerin die angegriffenen Zeichen nicht markenmäßig benutzt. Für einen Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG habe die Klägerin nicht zur Bekanntheit ihrer Marken hinreichend vorgetragen; zudem sei die Werbung durch die verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit gedeckt, hinter die der Schutz der Marken der Klägerin zurücktreten müsse. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend der Klägerin einen Anspruch auf Unterlassung und Auskunft wegen der Verwendung der Logos „S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer“ und „S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer“ zuerkannt sowie die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt.

Aus den Entscheidungsgründen

1. Allerdings hat die Beklagte nicht § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zuwidergehandelt.
a) Es ist bereits fraglich, ob die Beklagte die angegriffenen Zeichen markenmäßig verwendet hat. Eine markenmäßige Verwendung im Sinne dieser Bestimmung setzt voraus, dass die angegriffene Bezeichnung oder Gestaltungsform im Rahmen des Produktabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen dient (…). Daran dürfte es fehlen. Die angegriffenen Logos werden ausschließlich zur Bewerbung eines Gewinnspiels verwendet, das selbst keine Ware oder Dienstleistung der Beklagten darstellt. Durch die Verwendung ihres, ebenfalls markenmäßig geschützten Unternehmenskennzeichens stellt sich die Beklagte dem Verkehr als Veranstalterin des Gewinnspiels vor. Insoweit greift die Klägerin das angegriffene Zeichen nicht an. Dass der Verkehr dem angegriffenen Zeichen im Übrigen einen Herkunftshinweis hinsichtlich der beworbenen Waren entnehmen könnte, erscheint fernliegend. Denn es ist ganz ungebräuchlich, dass durch die Verwendung des Zeichens eines Dritten im Rahmen eines Gewinnspiels auf die Herkunft von Waren oder Dienstleistungen außerhalb dieses Gewinnspiels hingewiesen wird. So wäre es ganz abwegig anzunehmen, von der Beklagten angebotene Ware stamme von dem Fußballverein „G T“, weil die Beklagte dessen Zeichen in ihrem Internetauftritt verwendet hat.
b) Jedenfalls fehlt es an der Verwechslungsgefahr.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (…).
Die Kennzeichnungskraft der Klagemarken, die den Textbestandteil „Deutschland sucht den Superstar“ enthalten, ist bei der Verwendung für ein Fernsehprogramm hoch. Ob sich das Warenangebot der Beklagten hiervon so sehr unterscheidet, dass es an der von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorausgesetzten Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen vollständig fehlt, kann aus den im Folgenden dargelegten Gründen offenbleiben.
Soweit die Klägerin unter Verwendung dieser Marken Bettwäsche vertrieben hat, ist die Kennzeichnungskraft geringer, mag allerdings immer noch gesteigert sein. Insoweit bestehen Ähnlichkeiten zu den von der Beklagten mit dem Gewinnspiel beworbenen Möbeln für ein Jugendzimmer, weil Bettwäsche häufig gemeinsam mit Bettmöbeln angeboten wird. Diese Ähnlichkeit kann als durchschnittlich bewertet werden.
Soweit die Klägerin die „Deutschland sucht den Superstar“ enthaltenden Marken auch für den Warenbereich Möbel hat eintragen lassen, kann sie hieraus mangels Benutzung gemäß § 25 Abs. 1 MarkenG Rechte nicht mehr herleiten. Auf die für diese Warengruppe eingetragenen neuen Marken kann sich die Klägerin nicht stützen, weil die Beklagte die angegriffenen Zeichen nach der Eintragung dieser Marken nicht mehr verwendet hat.
Die Klagemarken mit dem Textbestandteil „Superstar weltweit“, die auch für Möbel eingetragen sind und hinsichtlich derer die Benutzungsfrist zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung noch nicht abgelaufen war, verfügen nur über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
Der Abstand der angegriffenen Zeichen zu den den Titel der Fernsehsendungen der Klägerin enthaltenden Klagemarken ist hoch. Das von der Beklagten verwendete Zeichen ist lediglich geeignet, Assoziationen zu den Marken der Klägerin hervorzurufen. Es unterscheidet sich aber von den Klagemarken derart auffällig, dass die Gefahr einer Verwechslung ausgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann insofern nicht vorwiegend auf die graphische Gestaltung abgestellt werden. Diese ist nicht so ungewöhnlich, dass der Verkehr ohne den Text wahrzunehmen, ein auf diese Weise beworbenes Produkt der Klägerin zuordnen würde. Vielmehr sind ovale, blaue Zeichen auf denen in weißer Farbe mit Schreibschrifttypen gestalteter Text abgebildet ist, Allgemeingut. So könnte eine solche graphische Gestaltung anstatt die Marken der Klägerin die bekannte Marke des Fahrzeugherstellers „Ford“ in Erinnerung rufen. Die Verbindung zu den Wort-/Bildmarken der Klägerin wird daher maßgeblich durch den Textbestandteil des angegriffenen Zeichens hergestellt. Dieser greift den Titel der Fernsehsendung der Klägerin und den Textbestandteil ihrer Marken auf; dies geschieht jedoch mit einer ironischen Distanz, die den angesprochenen Verkehrskreisen nicht verborgen bleiben kann. Soweit der angesprochene Verkehr eine gedankliche Verbindung zu den Klagemarken herstellt, wird ihm daher zugleich deutlich erkennbar gemacht, dass die angegriffenen Zeichen nicht von der Klägerin stammen.
Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht demnach bei der gebotenen normativen Gesamtbetrachtung nicht. Die allenfalls ganz geringe Ähnlichkeit von Fernsehsendung und Möbeln und der erhebliche Abstand, den die angegriffenen Zeichen von den Marken der Klägerin halten, werden durch die hohe Kennzeichnungskraft hinsichtlich der Verwendung der Marken für eine Fernsehsendung nicht aufgewogen. Soweit die Klagemarken für Bettwäsche verwendet worden sind, ist zwar die Ähnlichkeit der Waren durchschnittlich, die Kennzeichnungskraft aber weniger hoch. Auch insofern gilt jedoch vor allem, dass die angegriffenen Zeichen den Abstand zu den Klagemarken hinreichend deutlich machen. Soweit sich die Klägerin auf die Marken mit dem Wortbestandteil „Superstar weltweit“ stützt, fehlt es diesen an dem Textbestandteil, auf den die angegriffenen Zeichen Bezug nehmen; erst durch diesen Bezug wird jedoch – wie dargelegt – erst die notwendige gedankliche Verknüpfung zwischen den Zeichen hergestellt.
Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne liegt nicht vor. Eine solche besteht dann, wenn die Gefahr besteht, dass die maßgeblichen Verkehrskreise trotz Erkennens von Zeichenunterschieden annehmen können, es bestehe eine organisatorische oder wirtschaftliche Verbindung zwischen den beteiligten Unternehmen (…). Die nicht zu übersehende ironische Distanz in dem angegriffenen Zeichen zu den Klagemarken schließt die Annahme eines gemeinsamen Marktauftritts der Parteien aus.

2. Die Beklagte hat aber, indem sie mit dem angegriffenen Zeichen geworben hat, die Wertschätzung der bekannten Marken der Klägerin ungerechtfertigt und in unlauterer Weise ausgenutzt (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG).
a) „S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer“
aa) Die Beklagte hat das angegriffene Zeichen markenmäßig benutzt. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass der Verkehr annimmt, die beworbene Ware stamme von dem Markeninhaber; ausreichend ist es, dass der Verkehr die Gestaltung des angegriffenen Zeichens mit den verteidigten Marken gedanklich verknüpft (…). Die Anforderungen an eine markenmäßige Benutzung sind insoweit in Nr. 3 des § 14 Abs. 2 MarkenG geringer als in der Bestimmung der Nr. 2 (…).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt; das angegriffene Zeichen weist unmissverständlich auf die Marken der Klägerin hin. Bereits der Text „S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer“ weckt Assoziationen zu den Marken der Klägerin. Zwar ist in dem Text der geschützten Marken der Klägerin „Deutschland“ das Subjekt, während in dem Logo der Beklagten die Länderbezeichnung Attribut des gesuchten Objekts ist. Dies hindert die Entstehung einer gedanklichen Verknüpfung aber nicht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass – wie der Verkehr weiß – auch in der mit den verteidigten Marken beworbenen Fernsehsendung der Klägerin „Deutschland“ nicht handelndes Subjekt ist, sondern – wie in dem angegriffenen Zeichen – den geographischen Raum bezeichnet, auf den sich die „Suche“ bezieht. Diese Assoziationen werden – wie das Landgericht insofern zutreffend ausgeführt hat – durch die graphische Gestaltung bestätigt und verstärkt. Die den Gesamteindruck besonders prägenden Elemente der Wort-/Bildmarken der Klägerin Nr. xxx2 und xxx3, nämlich die ovale Form, die blaue Farbe mit hellerem Rand und die Darstellung von Lichteffekten finden sich ebenso in dem angegriffenen Zeichen. Hinzukommt die Verwendung eines recht schmucklosen, weißen Schreibschrifttyps, wobei ein Wort besonders groß geschrieben ist. Dahinter treten im Gesamteindruck die unterschiedlichen Gestaltungsmerkmale, wie die Sterne am Rand des angegriffenen Zeichens und die Unterstreichung des hervorgehobenen Wortes in den Klagemarken, deutlich zurück.
bb) Die Wortmarke der Klägerin „Deutschland sucht den Superstar“ sowie ihre Wort-/Bildmarken mit gleichlautendem Textbestandteil waren zum Zeitpunkt der Zeichengegenüberstellung bekannt im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Es ist allgemein geläufig und daher offenkundig im Sinne des § 291 ZPO, dass die Fernsehsendung und die dort verwendeten Marken der Klägerin Gegenstand intensiver Berichterstattung nicht nur in dem von der Klägerin betriebenen Fernsehsender, sondern einem breiten Medienspektrum waren und weiten Teilen der Öffentlichkeit daher auch dann gegenwärtig waren, wenn diese die fragliche Fernsehsendung nicht verfolgt haben. Diese allgemeine Bekanntheit zeigt sich auch in den von der Beklagten auf Seite 4/5 des Schriftsatzes vom 17.12.2008 geschilderten (wenn auch späteren) Fällen der Anspielung auf die Marken in der Werbung anderer Unternehmen und – in humorvoller Weise – in einer Nachrichtensendung.
cc) Unerheblich ist es, ob das angegriffene Zeichen der Beklagten auch zur Bewerbung von Bettwäsche gedacht und damit für eine Ware genutzt wurde, für die auch die Klägerin ihre Marke benutzt hat. Denn ein Erfordernis der Unähnlichkeit der Waren besteht im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht (…).
dd) Die Beklagte hat mit der angegriffenen Werbung die Unterscheidungskraft der bekannten Marken der Klägerin ausgenutzt.
Hinsichtlich der Gestaltung einer Postkarte hat es der Bundesgerichtshof für die Annahme, dass der Verwender des angegriffenen Zeichens das besondere Maß an Aufmerksamkeit, das mit der Verwendung von bekannten Marken verbunden ist, ausnutzt, genügen lassen, dass der scherzhafte Charakter der Postkarte nur dadurch erreicht werden kann, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Anspielung auf die bekannten Marken erkennen (…).
So liegt es auch hier. Das angegriffene Zeichen nimmt auf die bekannten Marken der Klägerin Bezug. Gerade darin liegt der Witz der Werbeaktion, indem durch die Suche nach etwas Hässlichem darauf angespielt wird, dass der Publikumserfolg der mit den Marken der Klägerin beworbenen Fernsehsendung nicht nur darin liegt, einen „Superstar“ zu ermitteln, sondern auch darin, solche Bewerber vorzustellen, die gerade nicht einen strahlenden Superstar, sondern eher ein hässliches Entlein abgeben. Dadurch nutzt die Beklagte die besondere Aufmerksamkeit aus, die die Assoziation einer Bezeichnung mit den bekannten Marken der Klägerin wecken kann.
ee) Die Ausnutzung der Unterscheidungskraft der bekannten Marken der Klägerin war unlauter.
Die Ausnutzung der Unterscheidungskraft der bekannten Marke eines Dritten ist grundsätzlich unlauter (…). Umstände, die die Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten ausschließen, liegen nicht vor. Insbesondere wird die Beklagte durch ein Verbot der angegriffenen Werbung nicht in ihren Grundrechten verletzt.
(1) Der Werbeslogan „S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer“ fällt nach keinem Verständnis unter den Begriff der Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG; vielmehr handelt es sich um eine rein werbliche Gestaltung, die eine vertiefte gedankliche Auseinandersetzung nicht erkennen lässt. Dagegen stellt das angegriffene Zeichen weder eine freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse eines Künstlers zur Anschauung gebracht werden (…), dar noch handelt es sich um eine klassische Form künstlerischer Äußerung (…) und schließlich lässt sich dem angegriffenen Zeichen auch eine eigenständige interpretationsfähige und -bedürftige Aussage (…) nicht entnehmen.
(2) Auch auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Bezugnahme auf die Marken der Klägerin in der angegriffenen Werbung durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt ist. Zwar erstreckt sich der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf Wirtschaftswerbung, Voraussetzung ist aber, dass diese einen wertenden meinungsbildenden Inhalt hat (…). Meinungen sind durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, der Beurteilung geprägt (…). Die Bezugnahme auf die Marken der Klägerin ist aber nicht geeignet, meinungsbildend zu wirken; eine Wertung, ein Dafürhalten oder irgendwelche Anhaltspunkte, die darauf schließen ließen, dass die Beklagte sich durch die Veröffentlichung des angegriffenen Zeichens an einer öffentlichen Diskussion beteiligten wollte, sind nicht ersichtlich.
Selbst wenn man den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG für betroffen erachtet, fehlt es jedenfalls daran, dass das Verbot des angegriffenen Zeichens das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt. Bei der Abwägung mit den eigentumsrechtlich (Art. 14 GG) geschützten Markenrechten der Klägerin muss das Recht der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zurückstehen. Bei dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das angegriffene Zeichen wenn nicht ausschließlich, so doch jedenfalls ganz überwiegend kommerziellen Interessen dient. Soweit man darin eine Meinungsäußerung erkennen will, so würde diese gänzlich hinter den von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht geschützten Zweck, Aufmerksamkeit für die beworbenen Waren zu wecken, zurücktreten. Dagegen ist das auch europarechtlich geschützte Interesse der Klägerin, dass die Unterscheidungskraft ihrer Marken nicht von Dritten ausgenutzt wird, abzuwägen. Dieser Schutz liefe leer, wenn eine Bezugnahme auf diese Marken durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch dann durchgreifend geschützt würde, wenn der Verwender des angegriffenen Zeichens ganz überwiegend kommerzielle Interessen, nämlich die Förderung des eigenen Absatzes, verfolgt.
Dass die Abwägung hier zu einem anderen Ergebnis als in „Lila Postkarte“ (…) führt, ist zum einen dadurch begründet, dass dort die Freiheit der Kunst in Rede stand, deren Grenzen anders als bei der Meinungsfreiheit nur von der Verfassung selbst zu bestimmen sind (…). Zum anderen beschränkte sich das kommerzielle Interesse in „Lila Postkarte“ darauf, das Kunstwerk selbst zu verkaufen, wie dies bei jedem Kunstwerk, das ein Berufskünstler erstellt hat, der Fall ist; hier dagegen hat das angegriffene Zeichen keine eigenständige Bedeutung als Meinungsäußerung, sondern eine gegenüber den kommerziellen Interessen der Beklagten rein dienende Funktion.
ff) Weitere Voraussetzungen des Anspruchs der Klägerin bestehen nicht. Insbesondere ergibt sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27.11.2008 (…) nicht, dass die Klägerin Gesichtspunkte hätte darlegen müssen, aus denen auf die ernsthafte Gefahr einen künftigen Beeinträchtigung der Marken der Klägerin geschlossen werden kann. Die von der Beklagten angeführten Stellen aus dem genannten Urteil des Europäischen Gerichtshofs befassen sich mit der
Tatbestandsvariante der Beeinträchtigung der Wertschätzung oder Unterscheidungskraft einer Marke. Hiervon ist die hier relevante Fallgruppe des Ausnutzens der Unterscheidungskraft zu unterscheiden (vgl. Rz. 27). Es wäre verfehlt, auch hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Ausnutzen“ der Unterscheidungskraft die Darlegung einer „Beeinträchtigung“ der Unterscheidungskraft zu fordern. Daher lässt sich aus dem genannten Urteil allenfalls schließen, dass auch das Ausnutzen der Unterscheidungskraft durch konkrete Tatsachen belegt sein muss. Dies ist hier aber, wie dargelegt, der Fall.
gg) Wegen der Verletzung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG stehen der Klägerin gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 MarkenG und – da nichts für ein fehlendes Verschulden ersichtlich ist – ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 14 Abs. 6 MarkenG sowie gemäß § 242 BGB ein Anspruch auf Erteilung der zur Berechnung dieses Schadensersatzes erforderlichen Auskünfte zu.
b) „S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer“
Auch durch die Verwendung des abgewandelten Logos mit dem Textbestandteil „S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer“ hat die Beklagte gegen § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG verstoßen, indem sie die Unterscheidungskraft der bekannten Marken der Klägerin ausgenutzt hat.
Wie bereits ausgeführt, weckt bereits der Textbestandteil des angegriffenen Zeichens Assoziationen zu den bekannten Marken der Klägerin. Diese Assoziationen werden hier zwar durch die graphische Gestaltung allein nicht in gleicher Weise wie bei der Gestaltung des Logos „S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer“ verstärkt, weil sich das Logo „S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer“ hinsichtlich weiterer wesentlicher Gestaltungsmerkmale von der Gestaltung der Wort-/Bildmarken Nr. Nr. xxx2 und xxx3 der Klägerin unterscheidet, so dass an Gemeinsamkeiten lediglich die weiße Schrift auf blauem, mit Lichteffekten gestaltetem Hintergrund verbleiben. Die erforderliche gedankliche Verknüpfung wird aber jedenfalls durch den engen zeitlichen Zusammenhang mit dem vorangegangen Gewinnspiel „S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer“ von weniger als einem Monat begründet. Aufgrund dieses Zusammenhangs musste dem Verkehr, der regelmäßig mit den Werbeprospekten der Beklagten bedient wird, das abgeänderte Logo als Fortsetzung der Werbekampagne erscheinen. Die von „S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer“ hervorgerufene Erinnerung an die verteidigten Marken wurde durch diese Fortsetzung aufgefrischt, so dass sich dem Verkehr die gedankliche Verknüpfung mit den Klagemarken, die auch hier den Witz des angegriffenen Zeichens ausmacht, auch bei geringerer graphischer Ähnlichkeit aufdrängte.
Im Übrigen kann auf die Ausführungen unter a) Bezug genommen werden.

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