Europäisches Gericht erster Instanz (EuG), Urt. v. 22.01.2009, Rs. T-316/07 – EASYHOTEL/easyHotel

Leitsatz

Zwischen den Waren und Dienstleistungen „Computer-Software zur Erstellung von plattformunabhängigen Internet-Shops und Internet-Autorensystemen, vornehmlich zur Reservierung, Buchung und Bezahlung von Unterkünften (Klasse 9), „Entwicklung und Design von Computer-Software, nämlich für Internet-Shops und Internet-Autorensysteme, vornehmlich zur Reservierung, Buchung und Bezahlung von Unterkünften“ (Klasse 42) auf der einen Seite und den Waren und Dienstleistungen „Informationen in Bezug auf Transportleistungen einschließlich online aus einer Computerdatenbank oder dem Internet bereitgestellte Informationen; Reisereservierungen und Reisebuchungen über das World Wide Web“ (Klasse 39), „computergestützte Hotelreservierung“ (Klasse 42) auf der anderen Seite besteht keine Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit.

Aus den Entscheidungsgründen

Nach ständiger Rechtsprechung seien bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen diesen Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Dazu gehörten insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren.
Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdekammer die betroffenen Waren und Dienstleistungen miteinander verglichen. Sie habe ausgeführt, dass die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen Bestandteile eines Internetauftritts seien oder dazu dienten, im Rahmen eines solchen Auftritts ein System zur Reservierung, Buchung und Bezahlung von Unterkünften zu schaffen und es einem Unternehmen zu ermöglichen, ein solches System in seinem Internetauftritt zu installieren. Diese Systeme unterschieden sich von den von der streitigen Marke erfassten fraglichen Dienstleistungen, bei denen es sich im Wesentlichen um Auskunfts  und Reservierungsleistungen sowie um Leistungen zur Buchung von Reisen und Hotelunterkünften handele, die es einer breiten Öffentlichkeit erlauben sollten, beruflich, für Erholungsreisen oder zu anderen Zwecken Buchungen einer Hotelunterkunft oder einer Reise vorzunehmen.
Die Beschwerdekammer habe auch darauf hingewiesen, dass die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen einem spezialisierten Sektor gehörten, nämlich zu dem der Waren und Dienstleistungen, die die Aktualisierung und den Betrieb von Computersystemen beträfen, und dass sie ein begrenztes Publikum ansprächen, insofern als sie allein dazu bestimmt seien, es einem Unternehmen des Hotel  oder Reisegewerbes zu ermöglichen, ein über das Internet zugängliches Online-Buchungssystem zu installieren. Das aus diesen Unternehmen bestehende begrenzte Publikum unterscheide sich klar von der breiten Öffentlichkeit, an die sich die von der streitigen Marke erfassten Dienstleistungen richteten.
Da die betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht an dasselbe Publikum verkauft würden, stünden sie auch nicht miteinander im Wettbewerb.
Ferner habe die Beschwerdekammer geprüft, ob die betroffenen Waren und Dienstleistungen einander ergänzen würden. Sie kam zu dem Ergebnis, dass dies hier auszuschließen sei, da sich die breite Öffentlichkeit, an die sich die von der streitigen Marke erfassten Dienstleistungen richteten, nicht die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen beschaffe und diese ausschließlich für Unternehmen bestimmt seien, die dann Dienstleistungen für die breite Öffentlichkeit erbrächten.
Schließlich habe die Beschwerdekammer im selben Kontext festgestellt, dass die Internetnutzer, die Reisedienstleistungen online kauften, wahrscheinlich nicht wüssten, wer die einem Online-Anbieter seine Geschäftstätigkeit ermöglichende Software geliefert habe; jedenfalls seien sie in der Lage, zwischen einem Unternehmen, das eine komplexe Technologie liefere, und einem anderen Unternehmen, das Reisedienstleistungen über das Internet vertreibe, zu unterscheiden.
Dem sei zuzustimmen. Mit diesen Ausführungen würde rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen, deren Art, Verwendungszweck und Nutzung unterschiedlich seien und weder miteinander konkurrieren noch einander ergänzten. Zunächst sei festzustellen, dass die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen informationstechnischer Art seien, während die von der streitigen Marke erfassten Auskunfts , Buchungs  und Reservierungsleistungen anderer Art seien und sich der Informatik lediglich zur Weitergabe von Informationen oder zur Ermöglichung der Reservierung von Unterkünften oder Reisen bedienten.
Weiter sei festzustellen, dass die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen speziell für die Unternehmen des Hotel  und Reisegewerbes und die von der streitigen Marke erfassten Auskunfts , Buchungs  und Reservierungsleistungen für die breite Öffentlichkeit bestimmt seien.
Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen zur Ermöglichung des Betriebs eines Informatiksystems, genauer: eines Internetshops, dienen, während die von der streitigen Marke umfassten Auskunfts , Buchungs  und Reservierungsleistungen zur Reservierung von Unterkünften und Reisen genutzt würden.
Der Umstand allein, dass die von der streitigen Marke erfassten Auskunfts , Buchungs  und Reservierungsleistungen ausschließlich über das Internet erbracht würden und somit eines Datenträgers desjenigen bedürften, der durch die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen bereitgestellt würde, reiche nicht aus, um die erheblichen Unterschiede in Bezug auf Art, Verwendungszweck und Nutzung zwischen den betroffenen Waren und Dienstleistungen zu überdecken.
Waren und Dienstleistungen informationstechnischer Art würden nämlich in fast allen Sektoren genutzt. Oft könnten dieselben Waren oder Dienstleistungen, etwa eine bestimmte Software oder ein bestimmtes Betriebssystem, zu sehr unterschiedlichen Zwecken verwendet werden, ohne dass sie dadurch zu anderen oder unterschiedlichen Waren oder Dienstleistungen würden. Umgekehrt ändere sich die Art, der Verwendungszweck oder die Nutzung der Dienstleistungen von Reisebüros nicht allein dadurch, dass sie über das Internet erbracht würden. Dies gelte umso mehr, als heutzutage die Nutzung von Computeranwendungen für das Erbringen solcher Dienstleistungen praktisch unentbehrlich sei, selbst wenn diese Dienstleistungen nicht von einem Internetshop erbracht würden.
Überdies seien die betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht gegeneinander austauschbar, da sie nicht für dasselbe Publikum bestimmt seien. Die Beschwerdekammer sei somit zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Waren und Dienstleistungen nicht miteinander konkurrieren würden.
Schließlich ergänzten diese Waren und Dienstleistungen einander auch nicht. Insoweit sei daran erinnert, dass Waren oder Dienstleistungen einander ergänzen, wenn zwischen ihnen ein enger Zusammenhang in dem Sinn bestehe, dass die eine Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig sei, so dass die Verbraucher denken könnten, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen.
Nach dieser von der Rechtsprechung entwickelten Definition könnten einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen zusammen genutzt werden, was voraussetze, dass sie sich an dasselbe Publikum richten würde. Somit könne zwischen den Waren oder Dienstleistungen, die für den Betrieb eines Handelsunternehmens erforderlich seien, einerseits und den Waren und Dienstleistungen, die dieses Unternehmen herstelle oder erbringe, andererseits kein Ergänzungsverhältnis bestehen. Diese beiden Gruppen von Waren oder Dienstleistungen würden nicht zusammen genutzt, da die Waren und Dienstleistungen der ersten Gruppe vom betroffenen Unternehmen selbst, die Waren und Dienstleistungen der zweiten Gruppe aber von dessen Kunden genutzt werden würden.
Die Klägerin räume zwar ein, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen sich nicht an dieselben Endadressaten richten würden, mache aber geltend, dass hier eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden könne, da die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen allein dazu bestimmt seien, die Erbringung der von der streitigen Marke erfassten Auskunfts , Buchungs  und Reservierungsleistungen zu ermöglichen. Im Allgemeinen wisse das durch diese Dienstleistungen angesprochene Publikum nicht, wer die erforderliche Software entwickelt habe, und es könne bei den im Internetauftritt der Streithelferin enthaltenen Informationen auch nicht zwischen den von der Streithelferin selbst stammenden Informationen und den Informationen unterscheiden, die auf die Software oder die Dienstleistungen zurückzuführen seien, die ein – wie die Klägerin – auf Datenverarbeitung spezialisiertes Unternehmen geliefert oder erbracht habe. Schließlich seien im Internetauftritt der Streithelferin die von der streitigen Marke erfassten Dienstleistungen mit den von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen verschmolzen.
Diesen Ausführungen könne nicht gefolgt werden. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass die betriebliche Herkunft der Software und der informationstechnischen Leistungen, die den Internetauftritt der Streithelferin ermöglichten, im Allgemeinen für das Publikum, das durch die von der streitigen Marke erfassten, in diesem Internetauftritt angebotenen Dienstleistungen angesprochen werde, nicht im Geringsten von Interesse seien. Für dieses Publikum stelle der Internetauftritt der Streithelferin lediglich ein Hilfsmittel zur Online-Reservierung von Reisen und Unterkünften dar. Worauf es ankomme, sei, dass der Auftritt gut funktioniere, und nicht, wer die Software geliefert und die informationstechnischen Leistungen erbracht habe, die für den Auftritt erforderlich seien.
Wenn aber einzelne Kunden der Streithelferin die betriebliche Herkunft der für den Internetauftritt der Streithelferin erforderlichen Software und der Dienstleistungen, durch die diese Software entwickelt und designt wurde, hinterfragen würden, könnten sie – wie die Beschwerdekammer zutreffend ausgeführt hat – zwischen dem spezialisierten Unternehmen, das diese Waren und Dienstleistungen liefere oder erbringe, und der Streithelferin, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Tourismus  und Reisebranche im Internet erbringt, unterscheiden. Da die von der streitigen Marke erfassten Dienstleistungen per definitionem ausschließlich über das Internet erbracht würden, sei anzunehmen, dass die Kunden der Streithelferin zumindest über Grundkenntnisse der Datenverarbeitung verfügten. Sie seien sich daher bewusst, dass die Einführung eines Online-Reservierungssystems nicht von einem beliebigen Computernutzer vorgenommen werden könne und dass dafür eine Software und Dienstleistungen zur deren Entwicklung und Design erforderlich seien, die von einem spezialisierten Unternehmen geliefert und erbracht würden.
Die Behauptung der Klägerin, die Kunden der Streithelferin könnten die von dieser selbst stammenden Informationen nicht von denen unterscheiden, die auf die Software und die von der älteren Marke erfassten Computerdienstleistungen zurückzuführen seien, treffe ebenfalls nicht zu. Die Informationen, die die Kunden der Streithelferin interessieren könnten, würden die Modalitäten einer Reise, die Verfügbarkeit von Unterkünften und deren Preis betreffen. Die von der streitigen Marke erfassten Dienstleistungen bestünden gerade im Bereitstellen dieser Informationen. Die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen dienten lediglich der Weitergabe dieser Informationen und würden selbst keine weiteren gesonderten Informationen an die Betroffenen übertragen.
Schließlich beanstande die Klägerin die Bezugnahme in der angefochtenen Entscheidung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 12.05.2006, das die Streithelferin im Verfahren vor der Beschwerdekammer angeführt hatte. In diesem Urteil kam das Oberlandesgericht Dresden, das über einen Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der Streithelferin wegen eines markenrechtlichen Verstoßes zu entscheiden hatte, zu dem Ergebnis, dass Software und Dienstleistungen zur Entwicklung und Design von Software und die Dienstleistungen, die sich dieser Software bedienten, nicht ähnlich seien, da den Verkehrskreisen bewusst sei, dass weite Bereiche der Dienstleistungen elektronisch gestützt erbracht würden. In Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung schließe sich die Beschwerdekammer der Argumentation und dem Ergebnis des fraglichen Urteils in vollem Umfang an.
Die Klägerin machte jedoch geltend, dass durch diese Bezugnahme die unzutreffende Feststellung der Beschwerdekammer bestätigt würde, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich seien. Nach Ansicht der Klägerin betreffe das vom Oberlandesgericht Dresden in seinem oben angeführten Urteil erwähnte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.11.2003 (I ZR 103/01, GRUR 2004, S. 241) eine Rechtssache, in der die Art der Übertragung bestimmter Informationen und Aufträge, nämlich ihrer Übertragung mittels eines computergestützten Systems oder auf andere Weise, etwa auf dem gewöhnlichen Postweg, als unerheblich für die Entscheidung des Rechtsstreits angesehen wurde. Die vorliegende Rechtssache unterscheide sich hiervon, da die von der streitigen Marke erfassten fraglichen Dienstleistungen ausschließlich über das Internet erbracht würden.
Wie oben ausgeführt wurde, reiche allein der Umstand, dass die von der streitigen Marke erfassten fraglichen Dienstleistungen der Streithelferin ausschließlich über das Internet erbracht würden, nicht aus, um von einer Ähnlichkeit zwischen diesen Dienstleistungen und den von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen auszugehen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin werde somit durch die Bezugnahme auf das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden in der angefochtenen Entscheidung keineswegs nachgewiesen, dass das Ergebnis betreffend die fehlende Ähnlichkeit zwischen den durch die einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen falsch sei. Dies gelte, ohne dass zu prüfen wäre, ob das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ordnungsgemäß angewendet habe, denn diese Frage falle nicht unter die Zuständigkeit des Gerichts und sei jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich.
Nach alledem sei der einzige Klagegrund der Klägerin als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

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