Bundespatentgericht (BPatG), Beschl. v. 29.07.2008, Az. 29 W (pat) 145/06 – Flashnet

Leitsatz
  1. Grundlage für die Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Zeichens ist ein genau festgelegtes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis und Dienstleistungsverzeichnis, zu dessen Klarstellung das Deutsche Patent- und Markenamt gem. §§ 36 Abs. 4, 32 Abs. 3 MarkenG i. V. m. §§ 19, 20 MarkenV angehalten ist. Andernfalls ist es ihm nicht möglich, sich in der Beschlussbegründung konkret mit den einzelnen Waren und Dienstleistungen auseinanderzusetzen.
  2. Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis muss in Ausfüllung der o. g. Vorschriften der MarkenV nach Ziffer 4.4. der Richtlinien für die Prüfung von Markenanmeldungen nicht nur eine eindeutige Klassifizierung ermöglichen, sondern auch die Waren und Dienstleistungen so hinreichend klar bestimmen, dass der Schutzumfang der Marke – auch im Registerverfahren – eindeutig feststellbar ist.
  3. Im Interesse der Verfahrensökonomie soll die Markenstelle zwar auf die Behebung von Mängeln verzichten, wenn die Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse „wahrscheinlich nicht eintragbar“ ist. Allerdings bestimmt die Richtlinie, dass das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis so konkret bestimmt sein muss, „dass eine Beurteilung der absoluten Schutzfähigkeit möglich ist“.

Aus dem Sachverhalt

Die Wortmarke „Flashnet“ wurde für Waren der Klasse 9 und Dienstleistungen der Klasse 35, 38 und 42 angemeldet. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) beanstandete die Anmeldung wegen Bestehens absoluter Schutzhindernisse. Eine Klärung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses war nicht vorgenommen worden, obwohl die Auszeichnungsstelle das eingereichte Verzeichnis mit diversen Anmerkungen versehen hatte. Nach einer Stellungnahme der Anmelderin zur Schutzfähigkeit des Zeichens wurde die Anmeldung  zurückgewiesen. Hiergegen legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein.

Aus den Entscheidungsgründen

Das Bundespantgericht (BPatG) hob den Beschluss der Markenstelle auf wies das Verfahren an das DPMA u.a. aus formalen folgenden Gründen zurück:

Die Zurückweisung erfolge gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG zur Klärung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses.

Der Zurückweisungsbeschluss des DPMA enthallte keine nachprüfbare Begründung, inwieweit „Flashnet“ in Bezug auf die konkret angemeldeten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Charakter habe bzw. dem Zeichen die Unterscheidungskraft fehle. Grundlage für die Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Zeichens sei ein genau festgelegtes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, zu dessen Klarstellung das DPMA gem. §§ 36 Abs. 4, 32 Abs. 3 MarkenG i. V. m. §§ 19, 20 MarkenV angehalten sei. Andernfalls sei es ihm nicht möglich, sich in der Beschlussbegründung konkret mit den einzelnen Waren und Dienstleistungen auseinanderzusetzen. Die Markenstelle habe daher über die Schutzfähigkeit eines Zeichens entschieden, ohne vorher eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung geschaffen zu haben. Aus Bleistiftanmerkungen der Auszeichnungsstelle des DPMA sei zu ersehen, dass diverse Dienstleistungen nicht nur falschen Klassen zugeordnet worden seien, sondern teilweise nicht klassifizierbar seien. Es befänden sich auch Dienstleistungen im Verzeichnis, die zusätzlichen Klassen, für die keine Zahlung erfolgt sei, zugeordnet werden müssten.

Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis müsse in Ausfüllung der o. g. Vorschriften der MarkenV nach Ziffer 4.4. der Richtlinien für die Prüfung von Markenanmeldungen nicht nur eine eindeutige Klassifizierung ermöglichen, sondern auch die Waren und Dienstleistungen so hinreichend klar bestimmen, dass der Schutzumfang der Marke – auch im Registerverfahren – eindeutig feststellbar sei. Die Richtlinie sehe daher vor, dass die Markenstelle den Anmelder aufzufordern habe, „unbestimmte, erläuterungsbedürftige oder unzulässige Begriffe“ zu klären und die Mängel zu beseitigen. Aus diesem Grund habe das PMA Ungereimtheiten des Verzeichnisses – auch unter Mithilfe des Anmelders – aufzuklären. Die Mitwirkung des Anmelders am Verfahren sei dabei ein wichtiger Bestandteil und diene der Durchsetzung seiner Rechte. Sie sei aber auch Mittel der Sachaufklärung. Daher habe der Anmelder die Pflicht zur Förderung des Verfahrens beim Erlass des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts.

Im Interesse der Verfahrensökonomie soll die Markenstelle zwar auf die Behebung von Mängeln verzichten, wenn die Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse „wahrscheinlich nicht eintragbar“ sei. Allerdings bestimme die Richtlinie, dass das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis so konkret bestimmt sein müsse, „dass eine Beurteilung der absoluten Schutzfähigkeit möglich ist“. Die eher „summarische“ Prüfung und Nichtbehebung von Mängeln für den Fall, dass die Anmeldung „wahrscheinlich nicht eintragbar ist“, stehe im Widerspruch einerseits zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des Bundesgerichtshofs (BGH) und andererseits zum Rechtsanspruch des Anmelders auf die Eintragung, sofern kein absolutes Schutzhindernis vorliege. Der EuGH habe zum wiederholten Male klargestellt, dass die Prüfung der Schutzfähigkeit „konkret“ in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu erfolgen habe. Dies erfordere, dass klar und eindeutig sein müsse, um welche Waren und Dienstleistungen es sich im Einzelnen handele, da andernfalls die entsprechende Prüfung überhaupt nicht vorgenommen werden könne. Nicht anders zu verstehen sei die Entscheidung des BGH zu BerlinCard, wenn darin gefordert werde, dass die Annahme eines hinreichend engen beschreibenden Bezugs zu allen angemeldeten Waren und Dienstleistungen in generalisierender Weise nicht ausreichend sei, sondern konkret für die einzelne angemeldete Ware und für die einzelne angemeldete Dienstleistung zu prüfen sei. Der Anmelder habe gem. § 33 Abs. 2 MarkenG einen Anspruch auf Eintragung der angemeldeten Marke, sofern die Anmeldungserfordernisse erfüllt seien und keine absoluten Eintragungshindernisse entgegenstünden. Jedem Anmelder stehe – und zwar für j e d e der angemeldeten Waren und Dienstleistungen – ein subjektives öffentliches Recht auf Eintragung zu. Im Anmeldeverfahren habe er damit eine eigentumswerte Anwartschaft auf eine Rechtsposition im Sinne von Art. 14 GG. Eine „summarische Prüfung“ verbiete sich unter diesem Gesichtspunkt. Deshalb müsse das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis klar, eindeutig und unmissverständlich sein.

Dem stehe insbesondere nicht die Entscheidung des EuGH zu „The Kitchen Company“ entgegen. Er stellte dort vielmehr klar, dass die zuständige Behörde in Bezug auf jede der angemeldeten Waren und Dienstleistungen eine Einzelprüfung im Hinblick auf die Eintragungshindernisse vorzunehmen habe und dabei bei den einzelnen Waren und Dienstleistungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen könne. Diese Pflicht, die „Eintragung einer Marke für jede der Waren oder Dienstleistungen zu begründen“, erwachse aus dem Gedanken, dass es effektiven Rechtsschutz durch die folgende gerichtliche Prüfung geben müsse, wenn ein vom Gemeinschaftsrecht eingeräumtes Recht verweigert werde. Nur dann, wenn dasselbe Eintragungshindernis für eine Gruppe von Waren oder Dienstleistungen gelte, dürfe sich die Behörde auf eine globale Begründung (nicht jedoch Prüfung) für die betroffenen Waren und Dienstleistungen beschränken.

Vorliegend können jedoch einzelne Dienstleistungen im vorgenannten Sinn nicht überprüft werden, weil sie nicht ordnungsgemäß klassifiziert seien. Dazu gehöre insbesondere die Dienstleistung „finanzielle Beratung bei der Projektierung von Geräten“. Bei der Erstklassifizierung sei nämlich festgestellt worden, dass diese Dienstleistung, die jetzt zusammen mit der „technischen Beratung“ in Klasse 42 genannt sei, grundsätzlich in Klasse 36 eingruppiert werden müsste. Das bedeute, dass eine zusätzliche Klasse anfiele. Die Beschwerdeführerin habe bisher allerdings nur Gebühren für die vier in Anspruch genommenen Klassen bezahlt, so dass eine entsprechende Klarstellung und Überprüfung durch das DPMA stattzufinden habe.

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