Bundespatentgericht (BPatG), Beschl. v. 01.10.2008, Az. 26 (pat) 89/07 – Bro Secco/Rio Secco

Leitsatz
  1. Die Marken Bildbeschreibung , die jeweils u. a. identische Waren der Klasse 33 schützen, sind nicht verwechselbar ähnlich.
  2. Bei Vorliegen einer Kombinationsmarke kann eine Verwechslungsgefahr aufgrund eines übereinstimmend ähnlichen Bestandteils nur bejaht werden, wenn der Bestandteil den maßgeblichen Gesamteindruck des betreffenden Zeichens derart prägt, dass die übrigen Bestandteile im Gesamteindruck zurücktreten und deshalb vernachlässigt werden können.
  3. Zwar können schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente in Zusammenhang mit weiteren Ähnlichkeiten beider Marken als zusätzlicher Grund für die Bejahung der Verwechslungsgefahr Bedeutung erlangen. Davon unberührt bleibt jedoch der Grundsatz, dass eine Verwechslungsgefahr zu verneinen ist, wenn sich die Gemeinsamkeiten der Vergleichsmarken im Wesentlichen auf schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente der älteren Marke beschränken.

Aus den Entscheidungsgründen

Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Vorschrift sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei sei von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt.

Die Waren „Weine, Schaumweine“ der angegriffenen Marke fallen unter den Oberbegriff „alkoholfreie Getränke (ausgenommen Biere)“ der Widerspruchsmarke, weshalb insoweit von einer Identität der Vergleichswaren auszugehen sei.

Die Widerspruchsmarke besitze eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, da weder Anhaltspunkte für einen verringerten noch für einen erweiterten Schutzumfang vorlägen. Dies bedinge insgesamt eher strenge Anforderungen an den Abstand der Vergleichszeichen, den diese jedoch einhalten würden.

Bei der umfassenden Beurteilung der unmittelbaren Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung sei stets auf den durch die Gesamtheit vermittelten Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorriefen. Dabei komme es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Art von Waren oder Dienstleistungen wirke. Der Durchschnittsverbraucher nehme eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achte weniger auf die verschiedenen Einzelheiten. Insbesondere neige der Durchschnittsverbraucher nicht zu einer Analyse möglicher Bestandteile und Begriffsbedeutungen. Ihrem Gesamteindruck nach unterschieden sich die Vergleichszeichen aufgrund der zusätzlichen Wort- und Bildbestandteile in der Widerspruchsmarke hinreichend deutlich.

Bei Vorliegen einer Kombinationsmarke – wie sie die Widerspruchsmarke darstelle – könne eine Verwechslungsgefahr aufgrund eines übereinstimmend ähnlichen Bestandteils nur bejaht werden, wenn der Bestandteil den maßgeblichen Gesamteindruck des betreffenden Zeichens derart präge, dass die übrigen Bestandteile im Gesamteindruck zurücktreten und deshalb vernachlässigt werden könnten. Gerade in der Schaumwein- bzw. Sektbranche könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Verkehr die Marke stets nur auf den Produktnamen verkürze, da auch der Hersteller, die Traube und/oder die Lage zur Identifizierung eines solchen Getränkes maßgeblich beitragen würden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass in der Widerspruchsmarke zumindest für einen Teil des Verkehrs der Firmenname „Brogsitter“ eine zusätzliche Unterscheidungshilfe biete.

Selbst wenn man indes von einer alleinigen Prägung des Widerspruchszeichens durch den Bestandteil „Bro-Secco“ ausginge, sei eine Verwechslungsgefahr mit der angegriffenen Marke „Rio Secco“ nicht gegeben. Auch wenn der Zeichenteil „Bro-Secco“ nur von einem geringeren Teil des Verkehrs auf Anhieb als Anlehnung an den rein beschreibenden Begriff „Prosecco“ gesehen werde – was allerdings von vornherein bereits aus Rechtsgründen gegen eine Verwechslungsgefahr mit „Rio Secco“ sprechen würde – so handele es sich jedenfalls bei dem Bestandteil „secco“ in Bezug auf „Wein“ und „Schaumwein“ um eine glatt beschreibende Angabe i. S. v. „trocken“. Zwar könnten schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente in Zusammenhang mit weiteren Ähnlichkeiten beider Marken als zusätzlicher Grund für die Bejahung der Verwechslungsgefahr Bedeutung erlangen. Davon unberührt bleibe jedoch der Grundsatz, dass eine Verwechslungsgefahr zu verneinen sei, wenn sich die Gemeinsamkeiten der Vergleichsmarken im Wesentlichen auf schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente der älteren Marke beschränken würden. Insoweit komme den abweichenden (kennzeichnungsstärkeren) Zeichenteilen sowohl nach der subjektiven Einschätzung des Verkehrs als auch nach der objektiven Feststellung der Kennzeichnungskraft eine stärkere und die Verwechslungsgefahr einschränkende Bedeutung zu.

Aufgrund der beiden direkt aufeinander folgenden Vokale „i“ und „o“ in „Rio“ entstehe ein deutlich anderer klanglicher Eindruck als bei „Bro“, insbesondere da „Rio“ zweisilbig erscheine, während „Bro“ aus nur einer Silbe bestehe. Auch beim schriftbildlichen Vergleich falle deutlich der Unterschied aufgrund des mittigen „i“ ins Auge. Eine begriffliche Verwechslungsgefahr sei ebenfalls nicht gegeben, da der Verbraucher in „Rio“ allgemein einen Fluss oder aber das Kurzwort für „Rio de Janeiro“ erkenne, während „Bro“ keinen Sinngehalt aufweise.

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