Fair, menschlich und mitunter nah am Markenverletzter

Der Bundesgerichtshof (BGH) legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheing

Ist Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Bankinstitut in einem Fall wie dem Ausgangsverfahren gestattet, eine Auskunft nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern?

vor (BGH, Beschl. v. 17.10.2013, Az. I ZR 51/12).

Hintergrund war, dass ein Markeninhaber einen Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG gegen eine Bank geltend machte, Namen und Anschrift des – bis dato unbekannten – Markenverletzenden Kontoinhabers anzugeben. Das Landgericht hatte die beklagte Sparkasse antragsgemäß zur Auskunft verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Es hatte angenommen, die beklagte Sparkasse sei aufgrund des Bankgeheimnisses gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Der BGH hatte das Verfahren mit Beschluss vom 17. Oktober 2013 ausgesetzt und dem EuGH die obige Frage vorgelegt.

Dieser entschied hierüber durch Urteil vom 16.07.2015 dahingehend, dass Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen sei, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die es einem Bankinstitut unbegrenzt und bedingungslos gestattet, eine Auskunft nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern. Die Prüfung, ob die nationale Rechtsvorschrift eine solche Weigerung bedingungslos gestattet, sei Sache des vorlegenden nationalen Gerichts. Dieses habe auch zu prüfen, ob das nationale Recht gegebenenfalls andere Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel enthalte, die es den zuständigen Justizbehörden ermögliche, im Einklang mit der Richtlinie 2004/48/EG die Erteilung der erforderlichen Auskünfte über die Identität der unter Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie fallenden Personen nach Maßgabe der spezifischen Merkmale des Einzelfalls anzuordnen.

Auf dieser Grundlage entschied der BGH nun, dass der Klägerin ein Anspruch auf Auskunft über Namen und Anschrift des Kontoinhabers zustehe. Die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 MarkenG sei unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass ein Bankinstitut nicht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigern dürfe, wenn das Konto für den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde. Das Grundrecht des Kontoinhabers auf Schutz der persönlichen Daten nach Art. 8 EU-Grundrechtecharta und das Recht der Bank auf Berufsfreiheit nach Art. 15 EU-Grundrechtecharta müsse hinter den Grundrechten der Markeninhaberin auf Schutz des geistigen Eigentums und einen wirksamen Rechtsschutz zurücktreten (Art. 17 und 47 EU-Grundrechtecharta). Die Möglichkeit der Einleitung eines Strafverfahrens stehe einem Auskunftsanspruch gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gegen ein Bankinstitut nicht entgegen.

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Rechtsanwalt Thomas Felchner – Nationales und internationales Markenrecht – Johannesstraße 65, 45721 Haltern an See, E-Mail: felchner@o2online.de, Mobil: 015733131130

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