Widerspruch durch Seniorität unzulässig

Nach Auffassung des 27. Senats des Bundespatentgerichts (BPatG) ist ein Widerspruch aus dem deutschen Teil einer IR-Markenanmeldung unzulässig, wenn die Schutzdauer dieser Marke nicht verlängert wird, aber durch Beanspruchung der Seniorität in eine Gemeinschaftsmarke integriert wird (BPatG, Beschl. v. 05.03.2013, Az. 27 W (pat) 43/12 – IPSOS/IPSUM). In den Entscheidungsgründen heißt es auszugsweise wie folgt:

„1.
§ 42 Abs. 1 Nr. 1 sieht vor, dass ein Widerspruch nur dann zulässig ist, wenn er aus einer eingetragenen Marke (oder aus einer anhängigen Anmeldung) erhoben wurde. Ein Widerspruch aus einer gelöschten Marke ist grundsätzlich nicht zulässig.
Zwar bestand für die vorliegende IR-Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt des Erlasses des Erstprüferbeschlusses der Markenstelle für Klasse 41 am 7. Juli 2008 Schutz für die Bundesrepublik Deutschland, weshalb der Widerspruch auch zulässig war und für teilweise begründet erachtet werden konnte; diese Zulässigkeit ist jedoch mit dem Ablauf des Schutzes der widersprechenden IR-Marke 550 024 für den deutschen Teil nachträglich entfallen, da zum maßgeblichen Zeitpunkt am 2. Februar 2010 deren Schutz nicht erneuert worden ist.
2.
Für die Weiterführung des Widerspruchsverfahrens auf der Basis der Gemeinschaftsmarke 005583621 fehlt eine gesetzliche Grundlage.
3.
Trotz der in der deutschen Fassung der Gemeinschaftsmarkenverordnung und der Markenrichtlinie insoweit missverständlichen Verwendung des Begriffs „Zeitrang“ kann die Inanspruchnahme des Zeitrangs einer nationalen Marke nach Art. 34, 35 GMV nicht mit einer für die Gemeinschaftsmarke beanspruchten Priorität gleichgesetzt werden. Vielmehr handelt es sich bei der Seniorität um ein eigenständiges Konstrukt des Gemeinschaftsrechts, dem gemäß Art. 34 Abs. 2 GMV allein die Wirkung zukommt, dass dem Inhaber der Gemeinschaftsmarke, falls er auf die ältere (nationale) Marke verzichtet oder sie (infolge Nichtverlängerung) erlöschen lässt, weiter dieselben Rechte zugestanden werden, die er gehabt hätte, wenn die ältere Marke weiterhin eingetragen gewesen wäre. Es erhält also nicht etwa die Gemeinschaftsmarke eine bessere Priorität, sondern es wird der gesamte Inhalt einer erloschenen älteren nationalen Markeneintragung in eine Gemeinschaftsmarke integriert und deren Fortbestand gemeinschaftsrechtlich fingiert (…). Die Seniorität einer älteren nationalen Marke existiert damit nicht isoliert für sich, sondern besteht wirksam nur in akzessorischer Verbindung mit der jeweiligen angemeldeten oder eingetragenen Gemeinschaftsmarke, für die sie wirksam gemäß Art. 34, 35 GMV in Anspruch genommen wird. Die Seniorität bzw. die ihr nach Art. 34 Abs. 2 GMV mit dem Verzicht auf die ältere nationale Marke oder deren Erlöschenlassen zukommende Wirkung in einem Widerspruchsverfahren kann daher nicht losgelöst von der Gemeinschaftsmarke geltend gemacht werden. Folglich kann die Seniorität auch nicht den bereits gelöschten deutschen Teil einer IR-Marke zur selbständigen Widerspruchsmarke erstarken bzw. wiederaufleben lassen. Ein Widerspruch kann daher stets nur aus der Gemeinschaftsmarke erhoben werden, für die die Seniorität der älteren nationalen Marke wirksam in Anspruch genommen wurde (§ 125b Nr. 1 i.V.m. § 42 Abs. und 2 Nr. 1, § 9 MarkenG; Art. 4 Abs. 2 Buchst. b MRL).“

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen zu der höchstrichterlich bisher nicht geklärten Frage, ob im Widerspruchsverfahren eine widersprechende IR-Marke, deren Schutz für die Bundesrepublik nach Erhebung des Widerspruchs nicht erneuert wurde, durch eine darauf basierende Gemeinschaftsmarke der Widersprechenden aufgrund Gewährung der Seniorität nach Art. 34 Abs. 2 GMV ersetzt werden kann.

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Thomas Felchner

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