Eine Flasche „FICKEN“, bitte!

Eine Flasche „FICKEN“, bitte! So können Sie in Zukunft eine Flasche Bier bestellen, denn nach Auffassung des 26. Senats des Bundespatentgerichts (BPatG) ist die Wortmarke

FICKEN

betreffend die Waren

Nizza-Klasse 25: Bekleidungsstücke;
Nizza-Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Nizza-Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)

nicht sittenwidrig und demzufolge eintragungsfähig (BPatG, Beschl. v. 03.08.2011, Az. 26 W (pat) 116/10 – FICKEN). In den Entscheidungsgründen heißt es wie folgt wörtlich:

Bei Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs ist die angemeldete Marke, die ihrem Wortsinn nach eine derbe Bezeichnung zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs darstellt, noch eintragungsfähig. Sie kann zwar, was auch die Anmelderin nicht in Abrede stellt, kaum den Anforderungen des guten Geschmacks genügen. Dieser Umstand für sich betrachtet ist jedoch für eine Schutzversagung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG regelmäßig nicht ausreichend, weil eine ästhetische Prüfung auf die Anforderungen des guten Geschmacks nicht Gegenstand des markenrechtlichen Eintragungsverfahrens sein kann (…). Die angemeldete Marke verletzt hingegen nach Ansicht des Senats das durch die fortschreitende Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral beeinflusste Scham- und Sittlichkeitsempfinden des Allgemeinverkehrs, an den sich die beanspruchten Waren wenden, nicht in völlig unerträglicher Art und Weise. Ein unerträglicher Verstoß gegen das sittliche Empfinden ist dann anzunehmen, wenn die angemeldete Marke über eine bloße Geschmacklosigkeit hinaus sexuelle Aussagen enthält, die massiv (z. B. geschlechtsspezifisch) diskriminierend und/oder die Menschenwürde beeinträchtigend sind bzw. ernsthaft so verstanden werden können (…). Davon kann bei dem Wort „FICKEN“, das in seinem Aussagegehalt geschlechtsneutral und damit nicht einseitig herabsetzend ist, nicht ausgegangen werden. Bei einer Verwendung des Markenwortes in der Modebranche für die beanspruchten Waren der Klasse 25 ist die dortige besondere Kennzeichnungsgewohntheit zu berücksichtigen, markenmäßige Herkunftshinweise als eingenähtes Etikett auf der Innenseite von Bekleidungsstücken anzubringen (…). Eine solche Kennzeichnung kann beim Verbraucher in besonderem Maße die Vorstellung hervorrufen, der Bekleidungshersteller habe seien Familiennamen als Marke schützen lassen. Für die Bundesrepublik Deutschland und den Nachnamen „Ficken“ lassen sich 67 Telefonbucheinträge nachweisen. Wird das angemeldete Zeichen zur Kennzeichnung von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken der Klassen 32 und 33 verwendet, wird ein Teil des angesprochenen Verkehrs den so gekennzeichneten Produkten ebenso wie anderen Objekten reißerischer Werbung schlicht mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnen. Ein anderer Teil wird sich ebenso wie der Deutsche Werberat, der im Jahre 2008 die Kennzeichnung eines Likörs mit dem angemeldeten Markenwort rügte, über die Grenzen des guten Geschmacks Gedanken machen. Anhaltspunkte dafür, dass das Zeichen jedoch in Verbindung mit den beanspruchten Waren geeignet wäre, das Scham- und Sittlichkeitsempfinden eines erheblichen Teils der durch sie angesprochenen durchschnittlichen allgemeinen Endverbraucher in völlig unerträglicher Art und Weise zu verletzen, sind dem Senat im Rahmen seiner Recherche nicht bekannt geworden. Deren Ergebnisse zeichnen vielmehr ein anderes Bild: Bereits die Markenstelle hat darauf hingewiesen, dass das angemeldete Markenwort im „DUDEN“ verzeichnet ist (…). Dem der Vulgärsprache entstammenden Markenwort bedienen sich Kommunizierende aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten und Altersklassen: Es ist Bestandteil einer Reihe von Titeln auf deutschen Bühnen gespielter Theaterstücke sowie mehrerer Film- und Buchtitel. So wurde beispielsweise Mark Ravenhills „Shoppen & Ficken“ 1998 zum Berliner Theatertreffen eingeladen und zum besten ausländischen Stück des Jahres gewählt. Werner Schwab, Autor des Theaterstückes „Mesalliance aber wir ficken uns prächtig“ wurde 1992 von der Fachzeitschrift „Theater heute“ zum Dramatiker des Jahres gekührt und zählt zu den meistgespielten Dramatikern deutscher Sprache. Denis Fischer ist Autor des u. a. am Jungen Theater Bremen gespielten Stücks mit dem Titel „Ficken vor der Kamera“. Im Jahre 2002 hat die Regisseurin Almut Getto den deutschen Film „Fickende Fische“ gedreht. Die Buchvorlage des gleichnamigen Films der Regisseurin Virginie Despentes ist unter dem Titel „Baise-moi – Fick mich“ in deutscher Sprache im Rowohlt-Verlag erschienen. Gleichzeitig existiert am deutschen Markt eine Mehrzahl von Buchtiteln, die, wie beispielsweise der Titel „Engel fickt man nicht“ von M. Heidenreich, das angemeldete Markenwort in grammatikalischer Abwandlung enthalten. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann der angegriffene Beschluss der Markenstelle keinen Bestand haben. Zur der von der Markenstelle angesprochenen Frage einer „staatlichen Monopolisierung“ des Markenwortes wird auf die Ausführungen in der Entscheidung BPatG PAVIS PROMA 27 W (pat) 41/10 – Fick Shui Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt.

Anmerkung:

Bevor sich die Richter mit Film- und Theatertiteln beschäftigen, sollten sie vielleicht vorher mal ihre Ehefrauen fragen, wie sie es empfinden würden, zu einem Glas „FICKEN“ eingeladen zu werden. Tut mir Leid, aber ich persönlich fände es „eklig“, mit einem Glas „FICKEN“ anstoßen zu müssen. Aus meiner Sicht eine glatte Fehlentscheidung. Was meinen Sie?

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