Gericht erster Instanz der europäischen Gemeinschaften (EuG), Urt. v. 02.12.2008, Rs. T-212/07 – BECKER/Barbara Becker

Leitsatz
  1. Die Wortmarken „BECKER“ und „Barbara Becker“ sind bei Identität oder Ähnlichkeit der fraglichen Waren der Klasse 9 in ihrer Gesamtheit und ihres Vergleichs in visueller, klanglicher und begrifflicher Hinsicht als ähnlich anzusehen.
  2. Ist eines von nur zwei Wörtern, aus denen eine Wortmarke besteht, bildlich oder klanglich mit dem einzigen Wort identisch, aus dem eine ältere Wortmarke besteht, und haben diese Wörter insgesamt oder für sich genommen für die betreffenden Verkehrskreise keine begriffliche Bedeutung, sind die fraglichen Marken, jeweils in ihrer Gesamtheit betrachtet, regelmäßig als ähnlich anzusehen.
  3. Die Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 sind im Fall von Marken, die aus einem Personennamen bestehen, mangels einer anderweitigen Regelung in dieser Verordnung die gleichen wie die im Fall anderer Kategorien von Marken.
  4. Der Antrag „anzuordnen, dass die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke Barbara Becker zurückgewiesen wird“ ist unzulässig, weil das Gericht dem HABM keine Anordnungen erteilen kann.

Aus den Entscheidungsgründen

Es sei zunächst festzustellen, dass die Klägerin mit ihrem zweiten Antrag vom Gericht die Anordnung begehre, die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke Barbara Becker zurückzuweisen. Nach Art. 63 Abs. 6 der Verordnung Nr. 40/94 habe jedoch das HABM die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gemeinschaftsrichters ergeben. Nach ständiger Rechtsprechung könne das Gericht dem HABM keine Anordnungen erteilen. Der zweite Antrag der Klägerin sei daher unzulässig.
Im vorliegenden Fall erstrecke sich der Schutz der älteren Marke („BECKER“) auf die gesamte Gemeinschaft. Es sei deshalb auf die Wahrnehmung der einander gegenüberstehenden Marken durch den Verbraucher dieser Waren in diesem geografischen Gebiet abzustellen. Jedoch sei eine Gemeinschaftsmarke bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ein relatives Eintragungshindernis im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 nur in einem Teil der Gemeinschaft vorliege.
Im Übrigen stehe fest, dass die in Frage stehenden Waren, die teils für die allgemeine Verbraucherschaft, teils für Fachleute und teils sowohl für die allgemeine Verbraucherschaft als auch für Fachleute bestimmt seien, Waren technischer Art seien. Es handele sich damit um Verkehrskreise, die einen relativ hohen Grad an Aufmerksamkeit aufbringen würden.
Da die Identität oder Ähnlichkeit der fraglichen Waren unstreitig sei, seien nur die einander gegenüberstehenden Marken zu vergleichen.
Nach der Rechtsprechung seien zwei Marken einander ähnlich, wenn sie aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte mindestens teilweise übereinstimmen würden. Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr sei hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken in Bild, Klang oder Bedeutung auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen seien.
Ist eines von nur zwei Wörtern, aus denen eine Wortmarke besteht, bildlich oder klanglich mit dem einzigen Wort identisch, aus dem eine ältere Wortmarke besteht, und haben diese Wörter insgesamt oder für sich genommen für die betreffenden Verkehrskreise keine begriffliche Bedeutung, seien die fraglichen Marken, jeweils in ihrer Gesamtheit betrachtet, regelmäßig als ähnlich anzusehen.
Im vorliegenden Fall stehen die ältere Wortmarke BECKER und die angemeldete Wortmarke Barbara Becker in Frage.
Der Bestandteil „Becker“ sei zugleich der einzige Bestandteil der Marke BECKER und der zweite der beiden Bestandteile, aus denen die Marke Barbara Becker zusammengesetzt sei. Der Bestandteil „Becker“ sei somit beiden Marken gemeinsam.
In visueller und klanglicher Hinsicht seien die einander gegenüberstehenden Marken von unterschiedlicher Länge und bestünden aus einer unterschiedlichen Zahl von Wörtern. Jedoch führe der von den Marken hervorgerufene Gesamteindruck zu der Feststellung, dass sie wegen des ihnen gemeinsamen Elements in visueller und klanglicher Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen würden.
In begrifflicher Hinsicht habe die Beschwerdekammer ebenfalls zu Recht festgestellt, dass die ältere Marke BECKER von den maßgeblichen Verkehrskreisen als ein Familienname wahrgenommen werden werde und die Marke Barbara Becker als der Name einer Person, der sich aus einem Vornamen und einem Familiennamen zusammensetze, wobei Letzterer mit dem die ältere Marke bildenden Familiennamen identisch sei. Jedoch könne der Beurteilung der Beschwerdekammer nicht gefolgt werden, was das relative Gewicht des Elements „Becker“ im Verhältnis zum Element „Barbara“ in der Marke Barbara Becker angehe.
Auch wenn die Wahrnehmung von Marken, die aus Personennamen bestehen, in den verschiedenen Ländern der Gemeinschaft unterschiedlich sein könne, sei in der Rechtsprechung anerkannt worden, dass zumindest in Italien die Verbraucher bei Marken im Allgemeinen dem Nachnamen größere Unterscheidungskraft beimessen würden als dem Vornamen. Folglich könne in der Marke Barbara Becker dem Familiennamen Becker eine höhere Unterscheidungskraft beigemessen werden als dem Vornamen Barbara.
Ferner bedeute die Tatsache, dass Frau Barbara Becker als frühere Ehefrau von Boris Becker in Deutschland Prominenz genieße, nicht, dass die einander gegenüberstehenden Marken in begrifflicher Hinsicht einander nicht ähnlich wären. Die ältere Marke BECKER und die Marke Barbara Becker verweisen würden nämlich auf denselben Familiennamen Becker verweisen. Sie wiesen daher eine Ähnlichkeit auf, zumal in einem Teil der Gemeinschaft dem Bestandteil „Becker“ der Anmeldemarke als einem Familiennamen eine höhere Unterscheidungskraft beigemessen werden könne als dem Bestandteil „Barbara“, bei dem es sich um einen bloßen Vornamen handele. Insoweit sei daran zu erinnern, dass die maßgeblichen Verkehrskreise von den einander gegenüberstehenden Marken ein unvollkommenes Bild im Gedächtnis behalten würden.
Im Übrigen könne nach der Rechtsprechung, wenn eine zusammengesetzte Marke durch die Aneinanderreihung eines Elements und einer anderen Marke gebildet sei, die letztgenannte Marke, selbst wenn sie nicht den dominierenden Bestandteil der zusammengesetzten Marke darstelle, in dieser eine selbständig kennzeichnende Stellung innehabe. In einem solchen Fall könnten die zusammengesetzte Marke und die andere Marke als einander ähnlich angesehen werden. Im vorliegenden Fall sei festzustellen, dass der Bestandteil „Becker“ als ein Familienname wahrgenommen werden würde, der in gängiger Weise zur Bezeichnung einer Person verwendet werde. Es sei festzustellen, dass dieser Bestandteil in der Marke Barbara Becker eine selbständig kennzeichnende Stellung innehabe.
Folglich seien im Rahmen einer Beurteilung der Marken in ihrer Gesamtheit und ihres Vergleichs in visueller, klanglicher und begrifflicher Hinsicht die einander gegenüberstehenden Marken als ähnlich anzusehen.
Die Beschwerdekammer sei daher zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass die einander gegenüberstehenden Marken eindeutig verschieden seien.
Hinsichtlich der Verwechslungsgefahr sei daran zu erinnern, dass die Identität oder die Ähnlichkeit der von den Marken erfassten Waren unstreitig sei und dass die Marke Barbara Becker und die Marke BECKER visuelle, klangliche und begriffliche Ähnlichkeiten aufwiesen. Auch wenn die fraglichen Waren für ein Publikum bestimmt seien, das eine relativ hohe Aufmerksamkeit aufbringe, könnte dieses glauben, dass die Waren aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammten. Daher sei festzustellen, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken Verwechslungsgefahr bestehe.
Diese Feststellung werde nicht durch das Argument des HABM entkräftet, dass eine zusammengesetzte Marke und eine andere Marke nur dann als ähnlich angesehen werden könnten, wenn das ihnen gemeinsame Element das dominierende Element im von der zusammengesetzten Marke hervorgerufenen Gesamteindruck sei. Ist nämlich eine Wortmarke aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt, von denen einer dem einzigen Bestandteil einer anderen Wortmarke gleiche, so sei es für die Feststellung einer Verwechslungsgefahr nicht erforderlich, dass das den Marken gemeinsame Element das dominierende Element im von der zusammengesetzten Marke hervorgerufenen Gesamteindruck sei. Würde eine solche Voraussetzung gefordert, obgleich das gemeinsame Element in der zusammengesetzten Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung innehabe, so würde dadurch dem Inhaber der älteren Marke das durch sie gewährte ausschließliche Recht genommen. Da der Bestandteil „Becker“ in der Marke Barbara Becker eine selbständig kennzeichnende Stellung innehabe, könne für das Vorliegen von Verwechslungsgefahr nicht verlangt werden, dass dieses Element den dominierendem Bestandteil im von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck bilde.
Ebenso wenig könne das von der Streithelferin vorgetragene Argument durchgreifen, wonach die Rechtsprechung zu zusammengesetzten Marken im vorliegenden Fall deshalb nicht herangezogen werden könne, weil die Anmeldemarke aus einem Vornamen und einem Familiennamen bestehe. Die Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 seien nämlich im Fall von Marken, die aus einem Personennamen bestehen, mangels einer anderweitigen Regelung in dieser Verordnung die gleichen wie die im Fall anderer Kategorien von Marken. Infolgedessen könne ein Zeichen, das den Vornamen und den Familiennamen einer natürlichen Person enthalte, nicht als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden, wenn ihm nach dem Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ein relatives Eintragungshindernis entgegenstehe.

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